Gemischte Gefühle bei Perchtoldsdorfer "Don Quijote"

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Nach dem Abgang von Michael Sturminger starten die Sommerspiele Perchtoldsdorf unter der neuen Intendanz von Alexander Paul Kubelka in die Saison 2023. Am Donnerstagabend gab es zum Einstand die Premiere von "Don Quijote" von Jakob Nolte nach dem Roman von Miguel de Cervantes. Ein Abend mit gemischten Gefühlen.

Noltes Stück wurde 2019 als Koproduktion der Bregenzer Festspiele mit dem Deutschen Theater Berlin uraufgeführt, damals in einer Inszenierung von Jan Bosse und mit Ulrich Matthes in der Titelrolle sowie Wolfram Koch als Sancho Pansa. In Perchtoldsdorf, wo 2006 schon einmal eine Dramatisierung des Romans auf dem Spielplan stand (mit Johannes Terne), führt Kubelka selbst Regie, die Hauptrollen sind mit dem vielseitigen Gregor Seberg als Quijote und dem famosen Lukas Spisser als Sancho interessant besetzt.

Im Grunde also eine potenziell attraktive Unternehmung. Dass die Rechnung nicht ganz aufgeht, hat mehrere Gründe. Zunächst will die imposante Bühne vor der Burg Perchtoldsdorf adäquat bespielt werden, also im Breitwandformat. Das ist mit einem Zweipersonenstück schwierig. Denn zum Protagonistenduo gesellen sich außer einer hin und wieder irrlichternd tirilierenden Dulcinea (Clara Montocchio) meist nur noch zwei - allerdings ausgezeichnete - Musiker: Max Tschida und Tobias Faulhammer sorgen für den gekonnt zwischen Spannung und Barmusik pendelnden Soundtrack. Sonst: Rosinante ist ein Kasten, ein Kinderringelspiel steht umher, eine Lacke dient zum Wäschewaschen und Füße-Baden, ein großes Holzgerüst kippt gegen Ende.

Ein weiteres Hemmnis bildet trotz redlichen Bemühens und trotz lediglich zwei Stunden reiner Spielzeit die Langatmigkeit des Stücks. Im kürzeren zweiten Teil wird es dann leider unerträglich didaktisch, der Diener wird zum Herren, Quijote erfährt eine Läuterung, das kommt alles recht hanebüchen daher. Wie überhaupt ein ziemliches Missverständnis in der Interpretation des Don Quijote bestehen dürfte. Denn der Ritter von der traurigen Gestalt ist beileibe kein "Vorbild", wie Kubelka meint, "mutig aufzustehen und für die eigenen Träume und Ideale einzutreten", sondern - typisch Aluhut-Träger - ein die Realität verweigernder Psychotiker, der Utopie mit Illusion verwechselt.

Es ist letztlich Gregor Seberg zu verdanken, dass der behauptete Ansatz unterlaufen wird. Denn er verkörpert genau jenen tragischen Altspatzen, der dem vermeintlich versäumten Leben nachläuft wie ein trister Achtundsechziger, der noch einmal jene glorreichen Zeiten auferstehen lassen will, die es in Wahrheit nie gegeben hat. Und Spisser begleitet ihn dabei mit Engelsgeduld und geradezu therapeutischem Einfühlungsvermögen. Es sind diese beiden Schauspieler, die den Abend doch sehenswert machen.

(S E R V I C E - Sommerspiele Perchtoldsdorf: Jakob Nolte, "Don Quijote", nach Miguel de Cervantes. Regie: Alexander Paul Kubelka. Mit Gregor Seberg, Lukas Spisser, Clara Montocchio, Max Tschida, Tobias Faulhammer. Weitere Vorstellungen bis 29. Juli. Tickets und Information: www.sommerspiele-perchtoldsdorf.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Nach dem Abgang von Michael Sturminger starten die Sommerspiele Perchtoldsdorf unter der neuen Intendanz von Alexander Paul Kubelka in die Saison 2023.
  • Am Donnerstagabend gab es zum Einstand die Premiere von "Don Quijote" von Jakob Nolte nach dem Roman von Miguel de Cervantes.
  • Das ist mit einem Zweipersonenstück schwierig.
  • Mit Gregor Seberg, Lukas Spisser, Clara Montocchio, Max Tschida, Tobias Faulhammer.