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"Ein Novum": Jelineks "Rechnitz" in Sarajevo und Mostar

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Sabine Mitterecker inszeniert derzeit in Sarajevo. Ihre Inszenierung von Elfriede Jelineks "Rechnitz (Der Würgeengel)", die am Freitag (18.2.) im Sarajevo War Theater (SARTR) Premiere hat, ist eine Koproduktion mit dem Kroatischen Nationaltheater in Mostar. "Die Produktion ist für Bosnien-Herzegowina ein Novum. Erstmals arbeiten Kulturinstitutionen über die Grenzen der im Krieg verfeindeter Ethnien hinweg zusammen", sagt die Österreicherin. "Und das ist nicht immer einfach."

"Auch Jahrzehnte nach dem 1995 geschlossenen Friedensabkommen von Dayton sind die Spuren des Krieges noch immer gegenwärtig, in den Stadtbildern genauso wie in vielen Familiengeschichten. Über die Genozidhandlungen im Bosnienkrieg, die ersten in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, hat u. a. der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Recht gesprochen, die Haupttäter sind überführt und verurteilt.... und werden bis heute verehrt", so Mitterecker gegenüber der APA. "Es bleibt die Frage: Wie geht eine Gesellschaft mit der Erinnerung an einen Genozid um, der nicht einmal von allen Beteiligten als solcher anerkannt wird." Es bleibe das, "was wir in Österreich und Deutschland Aufarbeitung der Vergangenheit nennen".

Das Projekt, an dessen Finanzierung auch das österreichische Außenministerium, die Stadt Wien und der Zukunftsfonds der Republik Österreich beteiligt sind, wird seit über zwei Jahren vorbereitet. "Die Initiative für 'Rechnitz' kam aus Sarajevo und Mostar", erzählt die Regisseurin. "Das Stück verhandelt die mentalitätsgeschichtlichen Nachwirkungen eines Massakers an jüdischen Zwangsarbeitern in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Den Theatern in Sarajevo und Mostar bietet dieser 'Umweg' die Möglichkeit, vom einen zu sprechen und etwas anderes damit zu sagen, was man direkt so vielleicht (noch) nicht sagen kann. Bei uns hat es 50 Jahre gedauert bis das offizielle Österreich gesagt hat, wir sind Mittäter." Noch während der Proben hat sich die erschreckende Aktualität des Stückes erneut bewiesen: Im Dezember wurde ein neues Massengrab in Südbosnien entdeckt.

Die Truppe besteht aus drei Schauspielern aus Sarajevo (Selma Alispahić, Dženana Džanić und Sead Pandur) und zwei aus Mostar (Jelena Kordić Kuret, die man aus dem Film "Quo vadis Aida?" kennt, und Dražen Pavlović). "Sie haben zuvor noch nicht miteinander gespielt, aber es ist mittlerweile ein eingeschworenes Ensemble entstanden. Dazu eine ganz junge Bühnenbildnerin (Monika Močević) und eine junge Kostümbildnerin (Lena Samardciz) - ich erachte es als meine Pflicht, grade junge Frauen zu fördern. Besonders hier", betont Mitterecker, die 2018 Werner Schwabs "Die Präsidentinnen" in Tirana auf Albanisch herausbrachte. "Rechnitz (Der Würgeengel)" wird in Bosnisch/Kroatisch/Serbisch mit englischer Übertitelung gezeigt. Gearbeitet wurde im Dezember in Mostar, seit Anfang Jänner in Sarajevo. Covid-19 hat die Umstände noch zusätzlich erschwert: "In den Lockdownphasen hatten wir immer wieder Zoom-Meetings, meistens in einer Eins-zu-eins-Konstellation, um an zentralen Textstellen schon vorab zu arbeiten."

"Ich bin nicht hier, um jemanden zu belehren und auch nicht um Vergleiche zu ziehen. Wir können in der Arbeit Erfahrungen teilen - künstlerische wie politische - und gemeinsam nach Antworten suchen. Ich sehe diese Arbeit nicht als singuläres Projekt, sondern einen Pfad, den ich weitergehen möchte. Es gibt eine Welt jenseits der Wohlstandsblase des deutschsprachigen Theaters. Wenn wir wirklich Europäer:innen sein wollen, müssen wir uns mit ihr auseinandersetzen. Es geht nicht um Kulturexport, sondern um einen wirklichen Austausch auf Augenhöhe", fasst Mitterecker zusammen. "Die Arbeit in einer fremden Sprache schärft noch einmal die Wahrnehmung für die Dimensionen von Theater-'Sprache' jenseits des bloßen Mitteilungscharakters. Außerdem tut die Erfahrung gut, welche politische Bedeutung Theater als öffentlicher Verhandlungsort plötzlich wieder gewinnen kann; als Kristallisationskern einer Zivilgesellschaft im Kampf gegen autoritäre Tendenzen oder den Rückfall in nationalistische Narrative."

(S E R V I C E - Elfriede Jelinek: "Rechnitz (Der Würgeengel)", Regie: Sabine Mitterecker. Im Sarajevo War Theater (SARTR) ab 18. Februar, im Kroatischen Nationaltheater Mostar ab 26. Februar.)

ribbon Zusammenfassung
  • Ihre Inszenierung von Elfriede Jelineks "Rechnitz", die am Freitag (18.2.) im Sarajevo War Theater (SARTR) Premiere hat, ist eine Koproduktion mit dem Kroatischen Nationaltheater in Mostar.
  • "Die Initiative für 'Rechnitz' kam aus Sarajevo und Mostar", erzählt die Regisseurin.
  • "Rechnitz" wird in Bosnisch/Kroatisch/Serbisch mit englischer Übertitelung gezeigt.
  • Gearbeitet wurde im Dezember in Mostar, seit Anfang Jänner in Sarajevo.

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