Die imposante Langsamkeit der Lucinda Childs in Salzburg
Es war ein Premierenabend der Lucinda Childs Dance Company, der mit der Ästhetik der Langsamkeit spielte. Mit "Four New Works" spannt die amerikanische Choreografin und Tänzerin einen Bogen von frühen Arbeiten bis heute.
Das eindrucksvolle Solo der 85-Jährigen ist eine Neuinterpretation ihres Werks "Geranium" aus dem Jahr 1965. Es stellt ein legendäres Football-Finale zwischen den Cleveland Browns und den Baltimore Colts ins Zentrum, das überraschend für das Cleveland-Team ausgegangen ist. Die Multimedia-Arbeit "For Geranium 2024" des albanischen Medienkünstlers Anri Sala verwendet Auszüge aus der damaligen NFL-Radioübertragung, zitiert vor der Projektion einer rohen Betonwand Filmsequenzen aus dem Originalspiel in Schwarz-Weiß und erweitert durch diese wie Erinnerungsfetzen wirkenden Bilder die kraftvolle Performance von Childs, ohne von ihr abzulenken. Sie arbeitet sich in Zeitlupe vorwärts, staunend, kraftvoll, sich drehend und wendend, sich aufspannend und raumgreifend. In den 1960er-Jahren war diese Art des Ausdrucks radikal modern - und ist es bis heute geblieben.
Auch die anderen drei Stücke, in denen die Mitglieder der Lucinda Childs Dance Company tanzen, wirken durch Minimalismus und geometrische Formen. "Actus" ist ein zartes Duett zu Johann Sebastian Bach. "Timeline" und "Distant Figure" sind zwei choreografische Arbeiten für Ensemble zu Musik von Hildur Guonadottir und Philip Glass. Childs steht für eine choreografische Sprache, die das Vokabular des Tanzes um Bewegungen aus dem Alltag und dem Sport erweitert hat. Es sind Stücke, die durch ihre perfekte Reduktion auf wenige Bewegungsmuster wirken, scheinbar gleich und doch immer wieder anders. Der Minimalismus ist ein Gegenpol zu unseren, von schnellen Wechseln und Überfrachtung geprägten Sehgewohnheiten.
Perfekt getanzt, kaum berührend
Childs erzählt mit ihren Choreografien keine Geschichten, die sich einfach erschließen. Es sind vor allem die minimalistische Ästhetik und die Musik (Anton Batagov am Klavier), die wirken. Alles ist schön anzuschauen, perfekt getanzt - aber es berührt trotz aller Schönheit kaum. Am Ende gab es viel Applaus für die Company und vor allem für die Choreografin.
(Von Claudia Lagler/APA)
(S E R V I C E - "Four New Works" mit der Lucinda Childs Dance Company bei den Salzburger Festspielen; Lucinda Childs (Choreografie), Anri Sala (Video, Bühne, Sound), Nile Baker (Kostüme), Sergio Pessanha (Lichtdesgin), Anton Batagov (Klavier), Szene Salzburg, Premiere am 9. August, weitere Aufführungen am 10., 12. und 13. August, www.salzburgerfestspiele.at)
Zusammenfassung
- Die 85-jährige Lucinda Childs präsentierte am 9. August mit ihrer Dance Company das minimalistische Tanzstück 'Four New Works' bei den Salzburger Festspielen.
- Im Zentrum stand eine Neuinterpretation ihres Werks 'Geranium' aus dem Jahr 1965, ergänzt durch historische NFL-Radioaufnahmen und Schwarz-Weiß-Filmsequenzen des Medienkünstlers Anri Sala.
- Die Aufführung, geprägt von extremer Langsamkeit, geometrischen Formen und Musik von Bach, Hildur Guonadottir sowie Philip Glass, wurde vom Publikum mit viel Applaus gewürdigt.