APA/APA/Wien Modern/Markus Sepperer

Der Zorn Gottes entlud sich zu Beginn über Wien Modern

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"Der Zorn Gottes" ist gewaltig. Ohne an dieser Stelle religiöse Aussagen treffen zu wollen, stimmt diese Analyse fraglos - für Sofia Gubaidulinas gleichnamiges Stück. Das stellten die Wiener Symphoniker am Samstagabend im Konzerthaus unter Matthias Pintscher eindrucksvoll unter Beweis und läuteten damit opulent das heurige Wien-Modern-Festival ein, das nun bis 30. November die Bundeshauptstadt mit Neuer Musik bespielt. Ein Wutausbruch als Startschuss.

Denn Gubaidulina lässt gleichsam die Posaunen von Jericho erschallen. Auf mächtige Blechsalven folgt ein tiefer Cantus der Wut, der die Streicher über weite Strecken zur klanglichen Auslegeware bestimmt, die sich nie gegen die anderen Gruppen in den Vordergrund spielt. Die Bläser und ab und an das Schlagwerk sind die Wortführer dieser Brandrede, wohingegen die Streicher bisweilen beinahe die Kraft zu verlassen scheint. Der Klang schwingt sich immer wieder brachial in die Weiten des Alls auf, um alsbald im vollen Lauf in die Fermate zu gehen. Und am Ende lässt die gebürtige Russin, die seit 1992 in Deutschland lebt, Beethoven-Zitate anklingen. "Der Zorn Gottes" ist in seiner exaltierten Gestalt das Finale einer Symphonie, die nicht existiert.

Vielleicht ist mit der Wien-Livepremiere nun ja der Bann des Stückes gebrochen, den abergläubische Auguren ihm bereits zuschrieben. So war die Uraufführung des Stückes vier Mal erfolglos versucht worden, bevor schließlich bei Versuch Nr. 5 zwar das Kunststück gelang - jedoch ohne Publikum im leeren Musikvereinssaal, gleichsam als Auftaktmusik zum Lockdown 2020. Nun also erklang das monumentale, wenn auch nur eine gute Viertelstunde lange Werk erstmals ganz regulär in einem Wiener Konzertsaal.

Frappant, wie sehr die übrigen Werke des Eröffnungsabend gegen das Alterswerk der mittlerweile 91-Jährigen absinken. Dies gilt auch für das größte Stück im Tableau, das neue Violinkonzert "Assonanza" von Dirigent Matthias Pintscher, das dieser der kanadischen Geigerin Leila Josefowicz widmete, die auch die Erstaufführung gestaltete. Mit ihrem dunkel tönenden Instrument geht die Künstlerin in den Dialog mit dem Orchester, ein Wechselspiel aus gegenseitiger Übernahme von Motivfragmenten entsteht, bevor das Werk in einer langen Kadenz ausklingt.

Helmut Lachenmanns "Tableau", bei dem die Bläser immer wieder eingrätschen, während die Streicher bis auf wenige Glissandi wenig zu sagen haben, ergänzte neben György Kurtágs Klassiker "Stele", der mit Beethoven-Assoziationen die Anbindung zu Gubaidulina darstellte, den Abend. Aber gegen den "Zorn Gottes" ist einfach kein Kraut gewachsen.

(S E R V I C E - www.wienmodern.at)

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  • Ohne an dieser Stelle religiöse Aussagen treffen zu wollen, stimmt diese Analyse fraglos - für Sofia Gubaidulinas gleichnamiges Stück.