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Chefdirigentin Alsop: Aus für RSO würde mir das Herz brechen

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Am Montag wurde bekannt, dass laut Sparplan, den der ORF aufgrund der Wünsche der Politik schnüren muss, das RSO keine Zukunft mehr hat. Der Aufschrei in der Kulturszene war groß, auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) warf sich für das Orchester in die Bresche. Nun sprach dessen seit 2019 amtierende Chefdirigentin Marin Alsop mit der APA über die Schocknachricht. Die 66-jährige New Yorkerin ist bereit zu kämpfen und hält die Entscheidung für unbegreiflich.

APA: Wann haben Sie davon erfahren, dass dem RSO das Aus droht?

Marin Alsop: Es gab natürlich das eine oder andere Gerücht, aber diese furchtbare Nachricht selbst habe ich tatsächlich erst am Montag bekommen. Es war ein echter Schock, und ich kann es immer noch nicht glauben. Das RSO ist das einzige Radioorchester Österreichs und das seit 53 Jahren!

APA: Können Sie die Entscheidung des ORF, an dieser Stelle den Sparstift anzusetzen, nachvollziehen?

Alsop: Wenn ich als Amerikanerin an Österreich denke, ist das Erste, das mir in den Sinn kommt, Kultur. Österreich ist die Wiege der Klassik. Für mich ist die Entscheidung deshalb unbegreiflich. Ich könnte es vielleicht noch verstehen, wenn das hier in Amerika passieren würde. Hier hat die Kultur einfach einen anderen Stellenwert. Insofern ist für Österreich fast peinlich, dass diese furchtbare und drakonische Maßnahme überhaupt erwogen wird. Der Sinn eines Rundfunkorchester ist es, das Orchester des Volkes zu sein. Es geht um Musik unserer Zeit für die Zeitgenossen.

APA: Ist das RSO im Hinblick auf die Pflege zeitgenössischer Musik überhaupt ersetzbar?

Alsop: In Österreich ist das RSO einzigartig. Die anderen Orchester haben nicht diesen Fokus auf zeitgenössische Musik. Außerdem ist das RSO gleichsam Teil eines ganzen künstlerischen Ökosystems, in dem die anderen Klangkörper davon profitieren, dass das RSO mit neuen Stücken vorangeht.

APA: Die künstlerische Leiterin des RSO, Angelika Möser, hat angekündigt, für das RSO kämpfen zu wollen. Sind Sie bei diesem Kampf mit an Bord?

Alsop: Ich stehe voll hinter der Sache und werde tun, was ich kann. Als Ausländerin ist es für mich schockierend, dass gerade das RSO das Erste ist, bei dem sie kürzen! Wien ist keine Stadt, die besonders für Diversität berühmt ist oder dafür, Speerspitze der Avantgarde zu sein. Wien ist berühmt für seine Tradition. Aber man hat ein Orchester, das zu 40 Prozent aus weiblichen Musikern besteht, was alles andere als typisch für Österreich ist. Und eines, das ein extrem flexibler Klangkörper ist, der das Standardrepertoire ebenso spielen kann wie Filmmusik oder zeitgenössische Werke. Das zu zerstören, wäre ein kurzsichtiges Signal des Rückschritts, nicht des Fortschritts.

APA: Ganz pragmatisch betrachtet ist das RSO ja auch schlicht ein Lieferant von Inhalten für den ORF ...

Alsop: Als würde man seinen eigenen Arm abschneiden! Dabei sprechen wir hier von 88 Vollzeitmusikern, zehn Mitgliedern der Orchesterakademie und dem Personal drumherum, was alles bei einem Budget von unter 9 Millionen möglich ist! Wäre das RSO in den USA ansässig, sprächen wir von einem Budget von 25 bis 30 Millionen US-Dollar! Die Verantwortlichen beim RSO schauen ganz genau auf das Geld und sind alles andere als Verschwender. Wenn man das Ganze nun der Sparvorgabe von 300 Millionen Euro gegenüberstellt, wären die Einsparungen also winzig, die Konsequenzen einer solchen Entscheidung aber riesig!

APA: Eine Kürzung des Budgets als Kompromiss ist mithin für Sie keine Option?

Alsop: Natürlich habe ich Verständnis für die finanziellen Probleme, mit denen wir uns alle in diesen Tagen beschäftigen müssen. Und natürlich muss jeder schauen, dass er mit öffentlichen Geldern gut umgeht. Aber wenn man anfängt, bei einer Institution zu sparen, die bereits jetzt sehr konservativ mit ihren Ausgaben umgeht, dann geht es irgendwann an die Qualität. Man muss das Ganze doch auf die lange Sicht sehen! Was ist für uns als Gesellschaft wichtig? Wir müssen uns auch um die Seelen der Menschen kümmern.

APA: Das nächste geplante Konzert des RSO unter Ihrer Leitung ist am 23. März, just dem Tag, an dem der Stiftungsrat über die Zukunft Ihres Orchesters entscheidet ...

Alsop: Ist das nicht eine Ironie?! Ich kehre jedenfalls Anfang März nach Österreich zurück, und wir schauen, wie wir eine möglichst effektive Kampagne aufsetzen können. Ich stehe jedenfalls für alles zur Verfügung. Denn die Unterstützung der Öffentlichkeit für das RSO ist jetzt schon groß.

APA: Sie sind eine bekanntermaßen optimistische Maestra. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie 2024 noch als Chefdirigentin an der Spitze des RSO stehen?

Alsop: Um mich mache ich mir weniger Sorgen. Es geht mehr darum, dass den Musikern nicht der Boden unter den Füßen weggezogen wird und dieser Schatz RSO auch in den kommenden Jahrzehnten fortbesteht. Ich bin immer Optimistin - auch über den Punkt der Vernunft hinaus. (lacht) Wir können nur an jeden appellieren, sich für uns einzusetzen. Ohne das RSO wäre die kulturelle Landschaft um so vieles ärmer. Denn das RSO ist ein absolutes Weltklasseorchester, das seinen Hörern verpflichtet ist. Wenn es das nicht mehr gäbe, das würde mir das Herz brechen.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Am Montag wurde bekannt, dass laut Sparplan, den der ORF aufgrund der Wünsche der Politik schnüren muss, das RSO keine Zukunft mehr hat.
  • Der Aufschrei in der Kulturszene war groß, auch Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) warf sich für das Orchester in die Bresche.
  • Nun sprach dessen seit 2019 amtierende Chefdirigentin Marin Alsop mit der APA über die Schocknachricht.

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