Bregenzer Festspiele unter Spardruck: "Kür" wird gestrichen
APA: Herr Diem, Sie sind seit 1997 bei den Bregenzer Festspielen und seit 2008 Kaufmännischer Geschäftsführer. Man kann Ihnen also wohl nachsagen, dass Sie wissen, was Sie hier tun. Die Festspiele haben eine Rekordsaison hinter sich und sind dennoch in finanziellen Problemen. Wie ist das erklärbar?
Michael Diem: Bisher hat unser Konzept sehr gut funktioniert. Ich habe aber gewarnt: Wir dürfen die heutige Zeit mit ihrer Inflationsdynamik nicht mit früher vergleichen. Es bleibt kein Stein auf dem anderen! Innerhalb der letzten drei Jahre war die Steigerung bei uns mindestens 20 Prozent. Wir haben in den letzten fünf Jahren dreimal einen Gewinn und zweimal einen Verlust geschrieben. Im vergangenen Jahr hatten wir den höchsten Umsatz der Festspielgeschichte und dennoch einen Verlust. Dann ist es leicht zusammenzuzählen, dass die Zukunft schwierig wird, wenn jetzt zusätzlich auch noch eine Subventionskürzung kommt.
APA: Wird die Arbeit der Bregenzer Festspiele von den Subventionsgebern nicht geschätzt?
Diem: Ich glaube, dass alle Subventionsgeber es sehr wertschätzen, was die Bregenzer Festspiele machen, sonst hätten wir etwa die dritte Baustufe von annähernd 80 Mio. Euro - von denen die Festspielr rund 7 Mio. aus Eigenem finanziert haben - nicht erhalten. Das war ein klares Bekenntnis zu den Bregenzer Festspielen. Damit haben wir uns für die nächsten 25 Jahre zukunftsfit gemacht. Wir sehen aber auch, dass offenbar überall der budgetäre Spardruck enorm groß ist. Aber natürlich war der Schritt, dass man ein bereits genehmigtes Budget noch einmal aufmacht, für uns überraschend. Für 2025 und 2026 bedeutet das, dass wir jeweils 30 Prozent weniger Subventionen erhalten. Das sind jährlich 2,1 Mio., denn bis letztes Jahr haben wir 7 Mio. Euro per anno von Bund, Land und Stadt bekommen.
"Bei Land und Stadt ist der Spardruck genauso groß"
APA: Hätten in diesem Fall nicht Land und Stadt einspringen können - oder zumindest bei ihren bisherigen Beträgen bleiben können?
Diem: Es gibt ganze Ordnerschränke von Unterlagen darüber, wie man zu dem heiligen Verteilungsschlüssel 40/35/25 gefunden hat. Man hat etwa ganz lange dafür gebraucht, dass die Bregenzer Festspiele als überregionales Ereignis auch vom Bund gefördert werden. Aus diesem Schlüssel will niemand heraus. Bei Land und Stadt ist der Spardruck ja genauso groß. Und dann ist es für jene, die das zu verantworten haben, symbolisch wichtig, dass auch bei Kunst und Kultur gespart wird.
APA: Für heuer haben Sie das bereits feststehende Programm retten können, indem Sie Rücklagen angreifen.
Diem: Ja, wir haben keine Immobilien, sondern Barrücklagen. Die brauchen wir aus budgetären Gründen. Wir spielen die nächsten beiden Jahre "La Traviata" und danach zwei Jahre "Der fliegende Holländer". Wir haben also einen Planungshorizont von vier Jahren. Diese Verträge werden jetzt geschlossen! Unsere bisherige dreijährige Subventionsgarantie wird offenbar künftig jährlich interpretiert. Als Kaufmann einer privatrechtlich organisierten GmbH darf ich aber nicht mehr Geld ausgeben als ich habe. Ohne Rücklagen wäre das problematisch. Und es kann ja auch einmal zu Ertragsausfällen kommen, die wir überbrücken müssen.
Eigendeckungsgrad von 75 Prozent
APA: Wie liegen die Bregenzer Festspiele mit ihrem Eigendeckungsgrad im Vergleich zu anderen?
Diem: Wir liegen ähnlich hoch wie die Kollegen in Salzburg - die das auch ausgezeichnet machen. Wir haben ca 28 Mio. Euro Gesamtbudget pro Jahr. 75 Prozent davon erwirtschaften wir selbst. Wir dürfen aber etwas nicht vergessen: Die Rahmenbedingungen haben sich dramatisch geändert. Heute will man, dass der rechtliche Rahmen, der richtig und wichtig ist, auf Punkt und Komma eingehalten wird. Jeder Bürokratismus, jede Genehmigung bedeutet, dass es mehr kostet. Nachhaltigkeit ist ein großes Thema geworden, bei Energie oder Anreise etwa. Die Anforderungen sind viel größer. Salopp gesagt: Früher waren wir nur auf der Bühne sehr gut. Heute müssen wir es in allen Disziplinen sein. Das wird sich nicht ausgehen! Da werden wir Abstriche machen müssen.
APA: Einnahmenseitig lässt sich nichts machen?
Diem: Die Bregenzer Festspiele dauern viereinhalb Wochen. Aufgrund des Arbeitsrechts dürfen wir nur sechs Tage pro Woche spielen. Das ergibt dann maximal 28 Vorstellungen beim Spiel am See. Würden wir das erweitern, müssten wir früher zu proben beginnen oder nach hinten die Saison verlängern. Das ist aber nicht so leicht, denn wir füllen mit Proben und Aufführungszeit schon die gesamte freie Zeit unserer Sängerinnen und Sänger aus, die ja an anderen Häusern singen. Das bedeutet, wir können nur preisseitig reagieren. Aber die Bregenzer Festspiele bieten seit vielen Jahren ganz bewusst Oper für alle. Deshalb können wir nicht in dem Maß die Preise erhöhen, wie uns die Kosten um die Ohren geflogen sind. Solange das so bleibt, bleibt auch der Verlust. Aber ich hoffe, dass die Inflation zurückgeht.
APA: Jeder investierte Euro in der Kultur kommt mehrfach zurück - durch Steuern, durch Wertschöpfung. Wissen die Politiker nicht, dass es daher doppelt unsinnig ist, hier zu sparen?
Diem: Die Politiker wissen das alles. Natürlich rechnen sich die Subventionen in die Bregenzer Festspiele - unter anderem deshalb, weil wir ganz viele Besucher aus Deutschland und der Schweiz haben. Ich glaube, die Politiker brauchen aber ganz dringend weniger Ausgaben - und zwar sofort. Das verstehen wir. Solidarität ist kein Fremdwort für uns. Auch wenn ich glaube, dass es besser wäre, wenn wir mehr Wertschöpfung nach Österreich bringen, indem wir unser Angebot ausweiten statt einzuschränken.
"Bei nice to have werden wir sparen müssen"
APA: Gestrichen wurde etwa die für 2026 geplante Koproduktion mit dem Burgtheater, die erst heuer als Programmschiene eingeführt wurde. Schon wieder trifft es das Sprechtheater als erstes.
Diem: Es stimmt: Als wir nach "Andre Chenier" (2011/12) schon einmal eine Krise hatten, haben wir auch das Theater als erstes gestrichen. Das tut mir weh, aber wir sind nun mal im Kern ein Musiktheaterfestival. Theater ist die Kür. Die können wir uns fürs Erste nicht mehr leisten. Das wird auch für 2027 gelten. Wir planen also, unsere Burgtheaterkoproduktionen für zwei Jahre auszusetzen. Bei unseren Hauptproduktionen am See, im Festspielhaus und auf der Werkstattbühne werden wir großartig bleiben. Alles, was dazukommt, ist nice to have. Dort werden wir sparen müssen. Und wir werden effizienter werden und Prozesse optimieren müssen.
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
ZUR PERSON: Der am 26. Juli 1970 in Dornbirn geborene Michael Diem studierte Betriebswirtschaft und arbeitet seit 1997 für die Bregenzer Festspiele. Seit 2008 verantwortet er als kaufmännischer Direktor der Festspiele und kaufmännischer Geschäftsführer der Festspiel- und Kongresshaus GmbH die Finanzen des Kulturunternehmens.
Zusammenfassung
- Die Bregenzer Festspiele müssen für 2025 und 2026 mit 30 Prozent weniger Subventionen auskommen, was jährlich 2,1 Mio. Euro weniger bedeutet.
- Trotz einer Rekordsaison und einem Gesamtbudget von rund 28 Mio. Euro pro Jahr schreiben die Festspiele Verluste, da die Kosten in den letzten drei Jahren um mindestens 20 Prozent gestiegen sind.
- Der Eigendeckungsgrad liegt bei 75 Prozent, doch Rücklagen müssen nun angegriffen werden, um das Programm aufrechtzuerhalten.
- Die geplante Koproduktion mit dem Burgtheater wird für 2026 und 2027 gestrichen, da Zusatzangebote wie das Sprechtheater als erstes eingespart werden.
- Künftige Subventionszusagen werden nicht mehr für drei Jahre garantiert, sondern jährlich neu verhandelt, wodurch die Planungssicherheit sinkt.