Aslı Kışlal ab 2026/27 neue Direktorin im Theater der Jugend
Für die Position der künstlerischen Leitung des Theaters der Jugend waren 40 Bewerbungen eingegangen. Neben Einzelpersonen traten auch sieben Teams an, insgesamt interessierten sich 28 Frauen und 20 Männer für die Position. Fünf Personen seien zum Hearing geladen worden, mit Kışlal sei "die Bestgeeignete aus dem Auswahlverfahren hervorgegangen", so Christoph Brenner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Theaters der Jugend. Kışlal habe durch "ihre Persönlichkeit, Erfahrung und kommunikatives Talent" überzeugt. Zudem habe sie "das Potenzial, das sie am Theater sieht, überzeugend dargelegt." Die Vertragslaufzeit beträgt fünf Jahre.
"Was in der Kindheit wurzelt, blüht ein Leben lang", unterstrich Babler die gesellschaftspolitische Rolle des Theaters der Jugend (TdJ). Das Haus sei eine Schnittstelle zwischen Bildung und Kunst und oft ein erster Berührungspunkt mit Kultur. Daher habe man trotz der budgetär angespannten Lage "strukturell alles gegeben, um das Theater der Jugend abzusichern". So sei für 2025 eine Subventionserhöhung beschlossen worden, 2026 könne man die Höhe der Subvention halten.
Kaup-Hasler würdigte das TdJ als "sozialen Raum des Zusammenkommens und Verhandelns gesellschaftspolitischer Themen". Kışlal sei "die Richtige, weil sie mehrere Signale sendet", so die Stadträtin. Neben einem Konzept, das das Theater "zu diesem Zeitpunkt weiter bringt", verfüge Kışlal auch über eine von Vielsprachigkeit geprägte Herkunft. "Der kulturelle Bogen soll ganz weit aufgespannt werden, tradierte Stoffe mitgenommen und kulturelle Verortungen für Kinder geschaffen werden."
Für Kışlal schließt sich nach mehr als 30 Jahren ein Kreis
Kışlal erinnerte an ihre erste Zeit in Wien, als sie noch ohne gute Deutschkenntnisse bereits am Theater der Jugend auf der Bühne gestanden sei. Im Rahmen des Stücks habe man damals versucht, die Verständigung zwischen migrantischen Gruppen und der rechtsradikalen Jugendszene zu ermöglichen. Dieser Anspruch auf Verständigung habe sie in ihrer weiteren Arbeit geprägt. "Für mich ist das Theater ein Ort, wo das spielerische Erleben und Gestalten der Welt im Vordergrund steht und wo Erfahrungen junger Menschen ernst genommen werden."
Für das TdJ strebe sie eine "transparente, kommunikative und zuhörende Leitung" an, als Stellvertreterin stellte sie bereits heute Bérénice Hebenstreit vor. "Für mich ist Theater Teamwork", so die designierte Theaterleiterin. Sie wolle die "Stärken und Qualitäten des Theaters der Jugend behalten, aber es auch weiterentwickeln und neue Impulse setzen". Ein Fokus werde auf der Zusammenarbeit mit verschiedenen, auch wissenschaftlichen, Institutionen liegen. Das Renaissancetheater will sie gerne umbenennen, im "Theater im Zentrum" solle die Arbeit mit Jugendlichen weiterhin im Fokus stehen. "Als verlängertes Wohnzimmer, wo sie Sicherheit verspüren."
Seit 1990 in Österreich und Erfolg mit diverCITYLAB
Kışlal wurde 1970 in der türkischen Hauptstadt Ankara geboren und kam 1990 nach Österreich, wo sie an der Uni Wien Soziologie und Schauspiel am Schubert Konservatorium studierte. Seit 25 Jahren arbeitet sie hauptsächlich in der Freien Szene, inszenierte aber auch am Landestheater Linz, am Landestheater Niederösterreich und am Schauspielhaus Wien. Im Burgtheater-Kasino bringt sie in der kommenden Saison "Oh no, not again!" zur Uraufführung. 2024 erhielt sie für ihre Inszenierung von Barbi Markovićs "Minihorror" mit dem von ihr im Jahr 2013 gegründeten diverCITYLAB eine Nestroy-Nominierung für die Beste Off-Produktion.
In Deutschland führte Kışlal etwa am Staatstheater Mainz und am Stadttheater Ingolstadt Regie. Von 2009 bis 2010 leitete sie das Theater des Augenblicks in Wien. Kışlal ist Mitbegründerin des Wiener Festivals "Wienwoche", das darauf abzielt, Kunst für alle in der Stadt lebenden sozialen Gruppen zugänglich zu machen. 2023 erhielt sie als erste Frau den Deutschen Musical Akademie Preis in der Kategorie "Beste Regie" für ihre Inszenierung "Stella - Das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm" am Theater für Niedersachsen.
Jury würdigt "überzeugendes, stimmiges und inklusives" Konzept
Die Jury würdigte ihr künstlerisches Konzept als "überzeugend, stimmig und inklusiv". Es enthalte wichtige Impulse für eine Neuausrichtung des Theaters. "Ihre kommunikativen und diplomatischen Stärken sprechen für eine gute Personalführung." Die Jury bestand aus Andrea Brunner (Vorstandsvorsitzende des Theaters der Jugend) als Vertreterin der Stadt Wien, Christoph Brenner (stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Theaters) als Vertreter des Bundes, Andrea Gronemeyer (Intendantin der Schauburg, Theater für junges Publikum München), Sara Ostertag (designierte Künstlerische Leiterin des früheren Theaters an der Gumpendorferstraße, künftig Teata) und Michael Schilhan (geschäftsführender Intendant des Grazer Kinder- und Jugendtheaters Next Liberty).
Thomas Birkmeir hatte im Februar seinen Rückzug angekündigt, unabhängig von später vom "Standard" veröffentlichten Vorwürfen ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen ein "System aus Angst und Machtmissbrauch", wie der Theatermacher damals betonte. Zur Aufarbeitung der Vorwürfe hielt sich das Podium bedeckt, Babler unterstrich jedoch, dass man Anlaufstellen wie etwa "vera* Vertrauensstelle für Betroffene von Gewalt & Belästigung" bei den Budgetverhandlungen gestärkt habe.
(S E R V I C E - https://www.tdj.at/)
Zusammenfassung
- Aslı Kışlal übernimmt ab der Saison 2026/27 die Direktion des Theaters der Jugend in Wien und folgt damit auf Thomas Birkmeir, der das Haus seit 2001 führte.
- Für die künstlerische Leitung gingen 40 Bewerbungen ein, darunter 28 von Frauen und 20 von Männern, und fünf Personen wurden zum Hearing eingeladen.
- Kışlal überzeugte die Jury durch Persönlichkeit, Erfahrung sowie ein inklusives Konzept und erhielt einen Fünfjahresvertrag.
- Das Theater der Jugend erhält 2025 eine Subventionserhöhung, 2026 bleibt die Höhe der Subvention stabil, um den Betrieb trotz angespannter Budgets abzusichern.
- Kışlal ist seit 1990 in Österreich, gründete 2013 diverCITYLAB, wurde 2023 als erste Frau mit dem Deutschen Musical Akademie Preis für Beste Regie ausgezeichnet und plant, das Theater mit neuen Impulsen und Kooperationen weiterzuentwickeln.