Architektin erforscht neue Wege der Datenspeicherung
Otero Verzier wurde mit ihrem Projekt "Computational Compost" im Bewerb des StartsPrize der EU-Kommission lobend erwähnt und wird ihre Arbeit beim Ars Electronica Festival "Panic yes/no" von 3. bis 7. September in Linz vorstellen sowie an Diskussionen teilnehmen. "Computational Compost" ist ein Prototyp, der mit einer Gruppe Wissenschafter entwickelt wurde. Abwärme aus Datenspeichern versorgt eine Wurmkiste mit Wärme, in der Würmer Nahrungsabfälle zu fruchtbarem Kompost machen. "Ich wollte Wege finden, wie digitale Infrastruktur mit der Umwelt koexistieren kann, ohne sie zu zerstören", so die 44-Jährige. Die Architektin und Forscherin reiste jahrelang, um die fortschrittlichsten Systeme für Datenspeicher zu finden und "ich glaube, der Prototyp bringt sie gut auf den Punkt".
Eigentlich möchte Otero Verzier aber früher ansetzen. Sie plädiert für ein neues Bewusstsein dafür, "wie viele Daten wir ansammeln und wie viel Strom und Wasser es braucht, um diese Mengen an Daten zu verarbeiten". Einerseits versuche die Politik, die großen Unternehmen wie Google, Microsoft, Amazon, Open AI etc. zu regulieren - wie viele Daten sie benutzen, wer davon profitiert. Dieses "AI-Rennen" verbrauche viele Ressourcen "und wir wissen noch nicht, was der Benefit sein wird".
Andererseits könne man beim Re-Design der Datencenter, die jetzt weit außerhalb ohne Verbindung zur Stadt sind, ansetzen. "Als Architektin sehe ich viele Möglichkeiten, wie man das mit anderen Programmen in der Stadt kombinieren kann, Heizungen für Häuser, Swimmingpools aber auch für eine Fischfarm. Diese Lösungen sind alle nicht perfekt, aber das sind die Technikriesen auch nicht", erklärte Otero Verzier.
Selbstversorgend mit sauberer Energie
"Die Datencenter brauchen Energie und (meist Trink-)Wasser, das der Öffentlichkeit verloren geht. Dieser Verbrauch sollte minimiert werden, vor allem sollten sie nicht vom Allgemeingut abhängen sondern selbstversorgend sein - aber mit sauberer Energie, nicht wie in den USA, wo sie versuchen Kohle zu nutzen, oder Elon Musk, der Dieselgeneratoren benutzt", fordert Otero Verzier. "Also sollten wir hinterfragen, wie sie arbeiten und Alternativen anbieten, dazu müssten wir wissen, wie sie arbeiten und da halten sie sich sehr bedeckt", sagt die Spanierin, die in den vergangenen Jahren Datencenter auf der ganzen Welt besucht hat "und darum glaube ich, dass man etwas ändern kann". Darüber müsse man jetzt sprechen.
Zwei weitere interessante Ansätze erklärte die Forscherin: Einmal die Datencenter als "zivile Infrastrukturen, Bibliotheken unseres Wissens" zu gestalten und dann eine Unterscheidung in der Datenspeicherung nach Sicherheit und Dauer. "Die Datencenter beherbergen unser Wissen, ein Wissen, das kollektiv produziert wurde, und nur wenige Leute, wenige Firmen profitieren davon", stößt sie gerade für Europa den Gedanken einer öffentlichen Cloud an. "Das würde der Gesellschaft zugute kommen und nicht einigen Firmen, die Millionäre als Chefs haben."
Nicht alle Daten brauchen Hochsicherheit
Zurzeit gebe es nur einen Typ von Datenspeicherung, die immer läuft und supersicher ist. "Aber nicht alle Daten brauchen diese Hochsicherheit", denkt die Architektin an open source und Sachen, die offen in social media geteilt werden. Außerdem schlägt sie eine Unterscheidung in "Daten, die einmal in zehn Jahren ein Wissenschafter nachfragt, die müssen nicht sofort verfügbar sein" und "Bankdaten, wenn du deinen Kontostand abrufen willst", vor oder in kurzlebige Daten wie Tiktok-Videos und langlebige, die gut gespeichert sein müssen. "Lasst uns über diese verschiedenen Kategorien nachdenken und unterschiedliche Infrastrukturen für sie entwickeln, das gibt uns auch etwas Autonomie", fordert die Forscherin. "Nicht alle Daten müssen immer verfügbar sein. Es gibt ein Online-Magazin in Barcelona, das mit Sonnenenergie betrieben wird. Wenn es länger bewölkt ist, lädt die Seite langsamer und die Bilder sind niedriger aufgelöst", bringt sie ein Beispiel.
Otero Verzier lebt in New York und Madrid, reist viel, aber ihre Wurzeln sind in Galizien, wo sie gemeinsam mit ihrer Schwester ein Haus renoviert, das seit Generationen ihrer Familie gehört. Ein Semester pro Jahr unterrichtete sie an der Columbia Universität, den Rest ist sie freiberuflich tätig. 2022 erhielt sie den Harvard's Wheelwright Prize für ein Projekt zur Zukunft der Datenspeicherung.
(S E R V I C E - Mehr Infos unter http://ars.electronica.art)
Zusammenfassung
- Die spanische Architektin Marina Otero Verzier erforscht seit rund zehn Jahren die ökologischen Auswirkungen von Datencentern und sieht sie als 'Bibliotheken unseres Wissens' für die Allgemeinheit.
- Mit ihrem Projekt 'Computational Compost', das beim StartsPrize der EU-Kommission lobend erwähnt wurde, nutzt sie Abwärme aus Datenspeichern zur Kompostierung durch Würmer.
- Otero Verzier fordert, dass Datencenter energie- und wassersparender sowie selbstversorgend mit sauberer Energie betrieben werden, statt auf fossile Brennstoffe zu setzen.
- Sie plädiert für eine öffentliche europäische Cloud, damit das kollektiv produzierte Wissen nicht nur wenigen Unternehmen zugutekommt.
- Nicht alle Daten benötigen Hochsicherheitsstandards oder ständige Verfügbarkeit, weshalb Otero Verzier differenzierte Speicherlösungen und nachhaltige digitale Infrastrukturen vorschlägt.