"Angabe der Person": Wackere Jelinek-Adaption in St. Pölten
Das Stück ist natürlich im Grunde keines, sondern - wie bei Jelinek meist üblich - eine enorme Textfläche, die einer gestaltenden Inszenierung bedarf, wie sie etwa seinerzeit Nicolas Stemann ("Das Werk") oder Stefan Bachmann ("Winterreise") vorgelegt haben. Bei "Angabe der Person" dürfte dies eine besondere Herausforderung sein, verknüpft Jelinek doch ihre negative Erfahrung mit der deutschen Finanzverwaltung auf persönliche Weise mit der Erinnerung an die Menschenfeindlichkeit des nationalsozialistischen Regimes. Gleichsam als Triggerwarnung scheint die Textstelle "Sämtliche folgenden Vergleiche sind unzulässig. Ich mache sie trotzdem, es liegt an Ihnen, sie zuzulassen oder nicht."
Aufgeteilt wird der - auf 100 Minuten gekürzte - Text auf ein aus Bettina Kerl, Julia Kreusch, Laura Laufenberg und Julian Tzschentke bestehendes Quartett, dessen Erscheinungsbild sich im Verlauf des Abends wandelt von barockem Outfit mit weiten Röcken und turmhohen Frisuren über in alten Klamotten wühlende Müllsucher bis zu vom prasselnden Regen durchnässten Figuren. Grüßt anfangs der Dachstein vom Vorhang, bläst sich bald ein instabiles Säulenportal auf, schließlich wird eine Wand eingerissen, hinter der sich ein großes Vogelnest verbirgt, in dem das Stück mit Gesang, Gezwitscher und Schellengeläute ausklingt.
Man kann Ostertag nicht vorwerfen, sich nichts überlegt zu haben. Auch Bühnenbild (Nanna Neudeck) und Kostüme (Prisca Baumann) wirken durchaus fantasievoll. Die eigentliche Atmosphäre trägt allerdings der faszinierende Live-Soundtrack der iranischen Musikerin Mona Matbou Riahi, die einen magischen Mix aus elektronischen und klassischen Elementen in diese Produktion zaubert und den Jelinek'schen Sprachklang kongenial rhythmisiert, untermalt und gelegentlich auch kontrastiert und ironisiert, wenn etwa litanei-artige Passagen in Rave-Anklänge kippen, Bach und Beethoven im Hall auftauchen oder persische Lieder angestimmt werden.
Jelineks Text gibt sich erweitert-kafkaesk
Die schon von Franz Kafka literarisierte Empfindung, bürokratischer Willkür machtlos ausgeliefert zu sein, erweitert Jelinek um die Assoziation mit dem Nationalsozialismus, wenn auch weniger stringent als in früheren Werken. Ostertags Inszenierung ist da wohl eine Mutprobe, die Respekt abverlangt.
(Von Ewald Baringer/APA)
(S E R V I C E - St. Pölten, Landestheater NÖ: Elfriede Jelinek, Angabe der Person. Regie: Sara Ostertag, mit Bettina Kerl, Julia Kreusch, Laura Laufenberg, Julian Tzschentke und Mona Matbou Riahi. Weitere Termine bis 31. Jänner 2026. Information und Tickets: www.landestheater.net)
Zusammenfassung
- Mit der österreichischen Erstaufführung von Elfriede Jelineks 'Angabe der Person' hat das Landestheater Niederösterreich in St. Pölten seinen Spielplan erweitert und am Freitagabend Premiere gefeiert.
- Der auf 100 Minuten gekürzte Text wurde von einem vierköpfigen Ensemble gespielt, begleitet von einem fantasievollen Bühnenbild und einem Live-Soundtrack der iranischen Musikerin Mona Matbou Riahi.
- Jelineks Stück verbindet persönliche Erfahrungen mit der deutschen Finanzverwaltung mit Erinnerungen an das NS-Regime und wird noch bis 31. Jänner 2026 am Landestheater gezeigt.