APA/Verlag Kremayr & Scheriau (Cover)

"Ameisenmonarchie": Romina Pleschko legt Romandebüt vor

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Fünf Großstädter und deren Fassaden hat sich die Oberösterreicherin Romina Pleschko in ihrem ersten Roman "Ameisenmonarchie" vorgeknöpft. Ihre episodenhaften Charakterskizzen, fein zwischenmenschlich verwoben, sind voller makabrem Humor und heimlicher Abgründe. Die Autorin bedient geschickt den Voyeurismus ihrer Leser. Was wäre, wenn man hinter die Wohnungstüren schauen könnte? Ihre Figuren müssen jedenfalls Federn lassen, wenn sich Unterdrücktes letztlich Bahn bricht.

Gemeinsam ist den Protagonisten, dass sie alle in einem Wohnhaus in Wien leben. Da ist zum einen der wichtigtuerische Gynäkologe Herb Mazur sen., der sich auf die Übergabe der Praxis an seinen Sohn Herb jun. vorbereitet. Er stellt seine Frau Magdalena, deren zunehmende Wortkargheit ihrer Umgebung kaum auffällt, mit Medikamenten ruhig, die er der Salami-Liebhaberin "wie einer renitenten Hauskatze" in der Wurst verabreicht. Er ahnt nicht, dass diese die Beruhigungsmittel im Grunde gern nimmt, um ihren monologisierenden Ehemann, der ihren Vorstellungen nicht mehr entspricht, zu ertragen.

Der Sohn der beiden hasst das Weiche an Frauen eigentlich, ist aber trotzdem Gynäkologe geworden. Während der Vater ihn um die Aussicht auf die blonden Sprechstundenhilfen beneidet, lebt Herb jun. heimlich schwul und beginnt eine wohl nicht nur kulinarische Beziehung mit einem Nachbarn, einem Nationalratsabgeordneten, der ihn weidlich ausnützt. Und dann ist da noch der "Mann namens Klaus", der, sexuell angezogen von der Verletzlichkeit und Unsicherheit von Frauen, seiner Nachbarin Karin, einer alleinerziehenden Kosmetikverkäuferin, in einem Online-Elternforum nachstellt. Karin findet Zuflucht in den sozialen Medien, fürchtet sich vor dem Alter und davor, keinen Partner mehr zu finden.

Das sorgsam unter dem Deckel gehaltene Gefühlsleben der skurrilen Figuren entlädt sich auf unterschiedlichste Weise. Während Magdalena flügge wird, Klaus sein Hobby auf ein neues Niveau heben kann und Karin ein zufriedenstellendes Arrangement trifft, geht die bitterböse Geschichte für Herb sen., und für Herb jun. nicht so gut aus. Das Leben dieser an sich tragisch normalen Großstädter, die sich emsig um das Aufrechterhalten des Scheins bemühen, wird wie bei Ameisen vor allem von Reizen und Mehrheitsentscheidungen gesteuert, weniger von einem Oberhaupt, auch wenn das der Titel des Romans annehmen lässt. Die Rolle der Ameisenkönigin erfüllte am ehesten Arztgattin Magdalena, die vor allem anderen an einer guten Versorgung interessiert ist.

Wie bei den staatenbildenden Insekten spielen Düfte als Kommunikationsmittel in Pleschkos Geschichte eine große Rolle. So schließt etwa Herb jun. vom Parfüm des Nationalratsabgeordneten auf dessen sexuelle Orientierung und Magdalena urteilt anhand des Geruchs ihres Mannes über seine Treue. Der 1983 in Oberösterreich geborenen Autorin, die 2019 Writer in Residence bei ORF III war, gelingen mit wenigen Worten treffende Beschreibungen allzu menschlicher Wesenszüge und Eigenarten. Die Figuren der gelernten Schauspielerin sind emotional kühle Wesen, die soziale Beziehungen allein darum unterhalten, weil diese zu ihrem Vorteil sind. Als Leser bleibt man mit der Frage zurück, wie viel Ameise in einem selber stecken mag.

(S E R V I C E - Romina Pleschko: "Ameisenmonarchie", Kremayr & Scheriau, 208 Seiten, 20 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Fünf Großstädter und deren Fassaden hat sich die Oberösterreicherin Romina Pleschko in ihrem ersten Roman "Ameisenmonarchie" vorgeknöpft.
  • Ihre episodenhaften Charakterskizzen, fein zwischenmenschlich verwoben, sind voller makabrem Humor und heimlicher Abgründe.
  • Ihre Figuren müssen jedenfalls Federn lassen, wenn sich Unterdrücktes letztlich Bahn bricht.
  • (S E R V I C E - Romina Pleschko: "Ameisenmonarchie", Kremayr & Scheriau, 208 Seiten, 20 Euro)

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