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Adrian Goiginger: "Geht ums Verlassen und Verlassenwerden"

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Mit "Die beste aller Welten" lieferte er einen der größten Erfolge der jüngeren heimischen Kinogeschichte ab. Nun ist der Salzburger Regisseur Adrian Goiginger mit einem neuen Projekt zurück. In "Der Fuchs" (ab 13. Jänner) erzählt er von seinem Urgroßvater, der als armer Bauernbub im Pinzgau aufwuchs und während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich eine innige Beziehung zu einem Fuchswelpen aufbaute.

Mit der APA sprach Goiginger, der zuletzt die Mitterer-Bearbeitung "Märzengrund" auf die große Leinwand brachte und heuer auch noch die Voodoo-Jürgens-Komödie "Rickerl" veröffentlichen will, über die Schwierigkeiten eines Tierdrehs, seine historischen Ansprüche sowie die eigene Zufriedenheit.

APA: Mit "Rickerl" haben Sie gerade Ihre erste Komödie abgedreht, "Der Fuchs" wiederum ist ein sehr persönlicher wie durchaus düsterer Film. Dabei wollten Sie diese Geschichte schon lange erzählen, nicht wahr?

Adrian Goiginger: Ja, es ist ein trauriger, aber auch ein hoffnungsvoller Film. Es geht ums Verlassen und Verlassen werden, um eine besondere Freundschaft, und es ist die allererste Filmidee, die ich je gehabt habe. Seit ich 14 Jahre alt war, habe ich diese Idee immer mit mir getragen. Nach "Die beste aller Welten" habe ich geahnt, dass jetzt dieses kleine Zeitfenster sein könnte, um diese sehr persönliche Geschichte, die leider viel Geld kostet, da sie historisch erzählt wird, umzusetzen. 6,2 Mio. Euro sind ja für ein Arthouse-Projekt eigentlich sehr viel. Aber mit dem Rückenwind von "Die beste aller Welten" ging es sich aus - mit ungefähr 18 Finanzierungspartnern. (lacht) Aber so ist eben die Förderstruktur in Europa.

APA: Sie erzählen die Geschichte Ihres Urgroßvaters - von seiner sehr entbehrungsreichen Kindheit bis zum Schrecken des Krieges, wo er diesem Tier begegnet. War es schwierig, die Filmhandlung mit den historischen Fakten im Einklang zu halten?

Goiginger: Ich habe mir versprochen und geschworen, dass ich immer historisch korrekt bleibe. Ich habe mit vier Historikern aus verschiedenen Bereichen zusammengearbeitet und habe vier Jahre lang recherchiert. Schwieriger war eher auszuwählen, was ich erzählen kann. Da wollte ich eigentlich mehr von der Zwischenkriegszeit und vom "Anschluss" reinbringen. Aber ich wollte den Film nicht länger als zwei Stunden machen, und das Budget war auch begrenzt. Das Streichen und Kürzen war also die größte Herausforderung.

APA: Dem Auftakt in den Bergen stehen die Kriegsschauplätze gegenüber. Wie kam diese Gewichtung zustande?

Goiginger: Es war immer klar, dass wir die Reise machen vom Berg bis zum Meer. Das wollten wir auch visuell zelebrieren, weil die Burschen da zum ersten Mal in ihrem Leben das Meer sehen. Natürlich haben wir versucht, viele verbindende Elemente zu finden - etwa die Musik, die an bestimmten Stellen immer wieder kommt. Auch die Kamera an sich von der Bewegung und Art her ist sehr ähnlich. Und das größte verbindende Element ist einfach die Story: eine gespiegelte Geschichte übers Verlassen werden. Zuerst der Bub, der von seinem Vater weggegeben wird, und dann findet er diesen verlorenen Fuchswelpen, in dem er sich selber sieht.

APA: Es heißt ja, dass ein Dreh mit Tieren oder Kindern besonders schwierig ist. Sie hatten beides und mussten sich speziell nach den Füchsen richten. Hatten Sie diesbezüglich Sorgen?

Goiginger: Ja, ich würde es auch nie wieder machen. Es ist unglaublich kompliziert mit wilden Tieren. Es war aber der einzige Weg. Wir wussten ja, worauf wir uns einlassen. Tiertrainer Herbert Pecher war der Erste, der besetzt worden ist. Erst danach habe ich Hauptdarsteller Simon Morzé und die Produzenten geholt. Ohne den Tiertrainer würde es den Film nicht geben. Aber er hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen. Irgendwie haben wir es mit den sechs Füchsen geschafft - aber es war echt anstrengend! (lacht) Du hast ein riesiges Team im Hintergrund, viel Technik und Requisiten, und dann hängt alles davon ab, dass ein wildes Tier irgendwo rauf hüpft. Das war schon absurd.

APA: "Die beste aller Welten" war ein Erfolg auf ganzer Linie. Erzeugt das Druck oder vereinfacht es vielmehr Folgeprojekte?

Goiginger: Druck von außen verspüre ich gar keinen, weil ich mir selbst den größten Druck mache. Ich sehe es als riesiges Geschenk, dass mir, meiner Geschichte und meinem Team so viel Vertrauen entgegengebracht wird, um einen Film zu machen. Meine größte Angst ist es, etwas zu machen, das es schon ganz oft gegeben hat. Wofür mache ich es dann? Ich will authentisch und ehrlich die Geschichten erzählen, die mir wichtig sind, in der Hoffnung, dass das nicht nur mich berührt, sondern auch andere. Aber natürlich ist es toll, dass es die Finanzierung der weiteren Filme erleichtert. Es hat eigentlich nur Vorteile. (lacht)

APA: Wie haben Sie bisher die Zusammenarbeit in der heimischen Filmszene erlebt?

Goiginger: Ich habe schon das Gefühl, dass wir an einem Strang ziehen. Gerade die jüngere Generation der Filmemacher tauscht sich regelmäßig aus. Natürlich habe ich mit Michael Haneke keinen Kontakt, das ist schon eine andere Liga. (lacht) Andererseits sind alle meine Filme Koproduktionen mit Deutschland. Dann musst du schon automatisch, um die Förderungen zu erhalten, ein gemischtes Team haben. Ich hoffe, dass wir als österreichische Szene konkurrenzfähig bleiben im internationalen Vergleich. Jetzt kommen auch die Big Player wie Netflix, die in Österreich produzieren wollen. Da hoffe ich schon, dass uns die Leute wie beispielsweise Techniker am Set für die heimischen Produktionen nicht ausgehen. Das ist eine Gefahr, die ich sehe.

APA: Würde Sie eine Streamingproduktion gar nicht reizen?

Goiginger: Mir geht es immer um die kreative Freiheit. Die ist beim Kino einfach voll gegeben, beim Fernsehen wiederum weniger. Beim Streaming ist es mal so, mal so. Ich kenne Horrorgeschichten, wo irgendwelche Redakteure ans Set kommen und Dinge umschreiben. Ich kenne aber auch Beispiele, bei denen es super gelaufen ist. Ich bekenne mich aber zum Kino und bin auch überzeugt, dass es überleben wird - in welcher Form auch immer. Schließlich bekommst du das zuhause nicht. Diese riesige Leinwand! Oder wenn es im Saal ganz still wird und man diese Elektrizität im dunklen Kinosaal spürt! Gerade das unabhängige Autorenkino brauchen wir. Sonst ist es keine Kultur mehr.

APA: Wie definieren Sie für sich selbst Erfolg?

Goiginger: Der wichtigste Erfolg für mich ist der Publikumserfolg. Ich mache meine Filme, damit sie gesehen werden. Deshalb verbiege ich mich aber nicht oder spekuliere. Am wenigsten wichtig ist mir Festivalerfolg, weil das nur wenige Leute sind, die das entscheiden und viele andere Faktoren mitspielen. Sollte "Der Fuchs" kein Kinoerfolg werden, wäre es echt eine Enttäuschung für mich.

APA: Und die eigene Zufriedenheit, wenn man etwas fertiggestellt hat?

Goiginger: Klar, das ist schon wichtig. Ich habe ja zwei kleine Kinder, und in ein paar Jahren kann ich ihnen diesen Film zeigen und sagen: Schaut, das war mein Uropa. Da bin ich schon stolz.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Mit "Die beste aller Welten" lieferte er einen der größten Erfolge der jüngeren heimischen Kinogeschichte ab.
  • In "Der Fuchs" erzählt er von seinem Urgroßvater, der als armer Bauernbub im Pinzgau aufwuchs und während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich eine innige Beziehung zu einem Fuchswelpen aufbaute.

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