Gerald Karner WeltblickPULS 24

Karners Weltblick: Russlands Abhängigkeit von China

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Lange vorbei sind die Zeiten des Kalten Krieges, in denen China lange Zeit eine Art Juniorpartner der Sowjetunion gewesen war. Heute obliegt Russland diese Rolle.

Der dreitägige Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau ist beendet, die Bewertung seiner Ergebnisse hat begonnen. Nach den scharfen Aussagen Xis und anderer Repräsentanten des chinesischen Regimes gegenüber den USA bei der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses stellen diese allerdings keine Überraschungen dar. China und Russland sehen sich vordergründig im Kampf gegen ein Streben der USA nach globaler Dominanz geeint und vereinbaren für diese Auseinandersetzung umfangreiche Kooperationen. Dies entspricht den strategischen Interessen beider Parteien, und auch wenn diese im Detail sehr unterschiedlich sein mögen, im Antagonismus gegenüber dem Westen sieht man den entscheidenden gemeinsamen Nenner, der auch aus chinesischer Sicht eine langfristig wirksame Zusammenarbeit mit Russland rechtfertigt.

Was nicht vereinbart wurde

Für eine differenzierte Bewertung der Ergebnisse des Besuchs Xis in Moskau ist es aber erforderlich, die dabei getroffenen - und bekannt gewordenen - Vereinbarungen genau zu betrachten – und auch das, was nicht vereinbart wurde. So sehr sich das Putin-Regime bemühte, der Welt eine pompöse Inszenierung des Schulterschlusses zweier Supermächte gegen "den Westen" zu demonstrieren, so sehr wurde klar, dass eine gemeinsame Augenhöhe der beiden Nationen nicht mehr gegeben ist. Lange vorbei sind die Zeiten des Kalten Krieges, in denen China lange Zeit eine Art Juniorpartner der Sowjetunion gewesen war. Heute obliegt Russland diese Rolle, und das gab Xi Jinping Wladimir Putin in Moskau auch durchaus zu spüren. So höflich und geneigt Xi Jinping sich durchaus auch gab, die noch vor etwas mehr als einem Jahr in Peking beschworene "grenzenlose Freundschaft" wurde dieses Mal hauptsächlich und bei jeder Gelegenheit von Wladimir Putin beschworen. Und der bereits im Vorfeld des Staatsbesuchs von russischer Seite immer wieder ins Spiel gebrachte Bau einer Gaspipeline zum Transport von sibirischem Erdgas nach China wurde – jedenfalls bei diesem Anlass - nicht beschlossen. Auch Waffenlieferungen waren letztlich kein Bestandteil der bilateralen Vereinbarungen, wohingegen vor allem seitens der chinesischen Delegation mehrfach klargestellt wurde, dass die strategische Zusammenarbeit zwischen China und Russland "keine Allianz", also kein Bündnis wäre. Auch wenn manche westliche Kommentatoren meinen, dass der Unterschied eher nur semantischer Natur wäre, bedeutet dies schon, dass es im Kriegsfall keine Beistandspflicht gibt. China bleibt auch darin bei seiner offiziellen Linie einer neutralen Haltung im Ukraine-Krieg.

Geste der politischen Unterstützung

Was bedeuten also der Staatsbesuch von Xi Jinping in Moskau und dessen Ergebnisse? Zunächst bildet er eine auf der Weltbühne sichtbare Geste der politischen Unterstützung Russlands durch China, vor allem in seiner Rolle der Schwächung "westlichen" Einflusses und der Macht der USA. Aus chinesischer Sicht soll Russland systematisch für diese Zielsetzungen instrumentalisiert werden, um im pazifischen Raum an Handlungsspielraum zu gewinnen. Dafür ist ein Russland erforderlich, das weiterhin einen gewissen Machtfaktor in seinem geopolitischen Umfeld darstellt. Ein substanziell geschwächtes oder gar ein zerfallendes Russland würde für Peking ein bedrohliches Negativszenario darstellen, das es zu verhindern gilt. Diesem Ziel, der Erhaltung eines ausreichend stabilen, einem selbst in Abhängigkeit verbundenen Nachbarstaats, der das US-amerikanische Potenzial diversifizieren hilft, dienen die Maßnahmen der chinesisch-russischen Kooperation in der Hauptsache.

Dies bedeutet zunächst die Notwendigkeit einer Stabilisierung der russischen Wirtschaft im Sinn einer Abfederung der westlichen Sanktionen. Inwieweit dies auch Vereinbarungen auf einer zweiten Ebene über die Lieferung von unter die westlichen Sanktionen fallenden High-tech-Komponenten für moderne Waffensysteme umfasst, bzw. solcher, die sowohl zivil, als auch militärisch genutzt werden können, kann derzeit nur gemutmaßt werden. Es ist allerdings davon auszugehen, dass China dies mit großer Vorsicht beurteilen wird, weil es das Risiko (weiterer) westlicher Sanktionen kaum eingehen will. Mittel- bis langfristig soll Russland das, worüber es verfügt, nämlich Energie und Rohstoffe, vereinfacht und zu möglichst günstigen Konditionen an China liefern, im Gegenzug sollen chinesische Investitionen in Russland erfolgen. Was sich auf den ersten Blick für beide Seiten als vorteilhaft darstellt, stellt sich auf den zweiten Blick als ziemlich schwieriges Unterfangen mit unsicheren Erfolgsaussichten dar. Wie am oben geschilderten Scheitern einer konkreten Vereinbarung über den Bau einer sibirischen Gaspipeline deutlich wird, stellt China offenbar Bedingungen, die für Russland alles andere als akzeptabel sind. Und auch rund um eine Verstärkung chinesischer Investitionen in Russland stellen sich viele Fragen. In welchen Sektoren sollen diese Investitionen erfolgen? In drei Jahrzehnten ist es in Russland jedenfalls nicht gelungen, eine nennenswerte Konsumgüterproduktion oder einen leistungsfähigen Dienstleistungssektor aufzubauen. Und angesichts der Erfahrungen vieler westlicher Investoren in Russland wäre ihren chinesischen Kollegen viel Glück bei ihren Unternehmungen zu wünschen.

Ernüchternd

Was bleibt, ist eigentlich für alle Seiten ziemlich ernüchternd: Für die USA und Europa bedeutet die strategische Kooperation eine Rückenstärkung Russlands, die sehr wohl über bloße Unterstützungssymbolik hinausgeht. Russland bleibt somit wahrscheinlich auf Sicht ein substanzieller, vor allem im Ukraine-Krieg gefährlicher Gegner. Gleichzeitig wird sich die Rivalität mit China im pazifischen Raum weiter verstärken. Russland selbst hat seine Abhängigkeit von China im Moment wohl zur Kenntnis genommen. Ohne chinesische Unterstützung wäre Russland wohl ebensowenig zu einer längerfristigen Kriegsführung befähigt, wie die Ukraine ohne die westliche Hilfeleistung. Und China? Für Peking stellen diese Entwicklungen wohl am ehesten einen Erfolg dar. Xi Jinping ist sich aber sicherlich der Tatsache bewusst, dass er mit Wladimir Putin über einen schwierig zu führenden Juniorpartner verfügt und Chinas Zukunft wohl eher nicht in einer geopolitischen Wagenburg mit Russland, sondern in stabilen Handelsbeziehungen zu den USA, Japan, Australien und Europa liegt. Es bleibt darüber hinaus abzuwarten, inwieweit die oben angesprochenen Schwierigkeiten der künftigen Kooperation überwunden werden können. Nicht nur die westliche, sondern auch und ganz besonders die chinesische Staatskunst wird daher in den nächsten Jahren gefordert sein.

ribbon Zusammenfassung
  • Lange vorbei sind die Zeiten des Kalten Krieges, in denen China lange Zeit eine Art Juniorpartner der Sowjetunion gewesen war.
  • Heute obliegt Russland diese Rolle.

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