Josef VotziJosef Votzi/PULS 24

Teuerungs-Turbo Russland-Sanktionen?

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Nach dem Corona-Frust baut sich mit kräftigem Rückenwind von Rechts eine neue Wutwelle gegen "Die da oben" auf. Nach der "Rache der Schwurbler" bei der jüngsten NÖ-Wahl ist diese nicht zu unterschätzen.

Aus den Schlagzeilen ist die krachende Niederlage von Johanna Mikl-Leitner verschwunden. Nicht zuletzt dank der SPÖ, die - trotz des professionellen Personalcoups in Niederösterreich - mit immer neuen Scharmützeln rund um Pamela Rendi-Wagner die schwarze Krise überdeckt. Hinter den schwarzen Kulissen sorgt das Stimmenmassaker, das den Blauen in bislang unannehmbaren ÖVP-Hochburgen gelungen ist, freilich nach wie vor für reichlich Gesprächsstoff. Die Stimmung pendelt zwischen ratlosem Frust und nachdenklicher Sorge.

Die nachdenklicheren ÖVP-Funktionäre teilen nachträglich den Befund des Politologen Laurenz Ennser-Jedenastik: Corona-Lockdowns und Impfpflicht haben einen gewaltigen politischen Flurschaden hinterlassen. Nicht nur eingefleischte Blaue, sondern auch gut ein Viertel der ehemaligen ÖVP-Wähler empfanden die Anti-Corona-Maßnahmen offenbar als unerträgliche "Bevormundung". Diese Schwarzen blieben nachhaltig blau vor Wut.

Späte Rache der schwarzen "Schwurbler": Ein Kreuz bei den verfemten Blauen 

Was ÖVP-Volksvertreter aber über die akute Wähler-Klatsche hinaus chronisch besorgt macht. "Bis vor einem Jahr wurde ich im Wirtshaus immer wieder wegen der Corona-Maßnahmen auch offen beschimpft", resümiert ein ÖVP-Mandatar, "In den letzten Monaten und auch im Wahlkampf war das gänzlich weg. Wir glaubten, dass das keine große Rolle mehr spielt und haben es daher auch von uns aus nicht mehr angesprochen."

Die schwarz-blauen Wut-Wähler hielten freilich die Faust weiterhin nur noch im Hosensack geballt. Die mangelnde offene Aufarbeitung rächte sich für die ÖVP nicht nur bei K wie Korruption, sondern auch bei C wie Corona. Die politische Rechnung dafür wurde dann am 29. Jänner serviert. Die Rache all jener, die sich zu Unrecht als "Schwurbler" abqualifiziert fühlten, entlud sich am Stimmzettel mit einem Kreuz bei den verfemten Blauen.

Wutwelle gegen "Die da oben" lädt sich gerade neu auf

In politischen Zirkeln, die weit über Niederösterreich und die ÖVP hinausgehen, wird da und dort offen besorgt registriert: Die Wut-Welle gegen "Die da oben" hat sich noch lange nicht vollständig entladen. Denn abseits der breiten Öffentlichkeit baut sich rund um die Sorgen und Nöte im Gefolge der Teuerungswelle bei Energie, Lebenshaltungskosten und Mieten eine neue Wut-Welle auf.

Hellhörige Mandatare berichten das auch aus Bürgergesprächen: Für die ungewohnt heftigen Verwerfungen im Leben der Österreicher werden immer öfter die Wirtschaftssanktionen gegen Russland im Gefolge des Überfalls auf die Ukraine verantwortlich gemacht.

Rechtspublizisten trommeln: "Die Sanktionen machen  uns nur ärmer"

Der nächste schlafende Wut-Riese ist auf der Vorderbühne der Politik noch kein großes Thema. Rechts-Publizisten wie "Weltwoche"-Chefredakteur Roger Köppel aber trommeln bereits: "Die Sanktionen machen uns nur ärmer."

Die Formel, die Wirtschafts-Sanktionen hätten die Teuerungslawine losgetreten, ist derart simpel, dass sie - ungebremst -  ähnliche Wellen schlagen könnte wie die Anti-Corona-Propaganda. Die Wahrheit ist und bleibt komplexer: Bereits viele Monate vor Kriegs- und Sanktionsbeginn lösten die wegen der Coronakrise gerissenen Lieferketten einen massiven Inflationsschub aus. Steigende weltweite Nachfrage bei sinkendem Warennachschub trieb die Preise hoch.

Ex-SPÖ-Spitzenpolitikerin: "FPÖ sagt als einzige, hören wir auf mit dem Krieg"

Die ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführerin und Ex-Siemens-Managerin, Brigitte Ederer, nannte dieser Tage in einem Interview für "Wien-Heute" den neuen blauen "elephant in the room" erstmals prominent beim Namen: "Viele Menschen verbinden den Krieg mit der Teuerung. Man darf da nicht unterschätzen wie viele Menschen der Meinung sind, wenn der Krieg nicht mehr wäre, dann wären die Preise auf dem alten Niveau. Und da ist die FPÖ in Wahrheit die einzige, die sagt, hören wir auf mit dem Krieg, weil der Putin ist jemand, den man unterstützen sollte. Das kann und will die SPÖ nicht sagen. Das ist ein zentraler Punkt, warum die SPÖ beim Thema Teuerung nicht so durchkommt, obwohl sie sich sehr bemüht."

Ederer zählt zum engsten BeraterInnen-Kreis um SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Ein Gegenrezept zur jüngsten blauen Propagandavolte blieb auch sie zumindest öffentlich noch schuldig.

Schlafender Protest-Riese gehört auf die Vorderbühne der Politik

Zuvorderst Rot und Schwarz täten gut daran, den schlafenden Protest-Riesen bald auf die Vorderbühne zu holen und sich der neuen blauen Propagandawelle offen zu stellen: Die Sanktionen als Quell allen Teuerungsübels?

Wer das Aufkommen des nächsten Gegenwind-Orkans verschläft oder unterschätzt - wie zuletzt die "Rache der Schwurbler" bei der NÖ-Wahl - darf sich dann nicht wundern,  wenn er nach den nächsten Wahlgängen mit mehreren blauen Augen aufwacht. 

Josef Votzi ist Kolumnist des Magazins "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi). Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf "trend.at"

ribbon Zusammenfassung
  • Nach dem Corona-Frust baut sich mit kräftigem Rückenwind von Rechts eine neue Wutwelle gegen "Die da oben" auf.
  • Nach der "Rache der Schwurbler" bei der jüngsten NÖ-Wahl ist diese nicht zu unterschätzen, schreibt Kolumnist Josef Votzi.

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