Josef VotziJosef Votzi/PULS 24

Koste es, was WIR wollen

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Der Finanzminister will nicht mehr jedermanns Krisen-Feuerwehrhauptmann sein und die Geldspritzen neu dosieren. "Koste es, was es wolle" ist für ihn von gestern. Der offene Konflikt um das Uni-Budget war dafür nur ein Vorspiel.

"Das Beste aus beiden Welten" - mit diesem Slogan pries Türkis vor nunmehr bald drei Jahren sein neues Regierungsbündnis mit Grün an. Sebastian Kurz suchte vom Start weg mit einem schillernden Marketing-Sager allen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die nicht zu Unrecht monierten: Wie kann eine Koalition derart konträrer Partner gut gehen?

Nur wenige Wochen danach kam Corona. Ab sofort hieß es nur noch: "Koste es, was es wolle." Der Kanzler pries so kurz nach dem ersten Lockdown die Milliardenpakete für die Sicherung von Arbeitsplätzen und Wirtschaft an. Erfunden wurde der eingängige Slogan allerdings nicht von Sebastian Kurz, sondern von Werner Kogler. 

Wie Kurz die Kogler-Message kaperte

Die konkrete Formulierung wurde auch nicht von langer Hand geplant, sondern entstand  in letzter Sekunde. Türkis-Grün hatte sich - auch das auf Vorschlag des gelernten Ökonomen Werner Kogler -  in den ersten hochdramatischen Pandemiewochen darauf geeinigt, in Sachen Corona-Hilfen eine Anleihe bei Ex-EZB-Chef Mario Draghi zu nehmen. Dieser hatte während der weltweiten Finanzkrise 2008 zur Rettung des Bankensystems das Motto ausgegeben: "Whatever it takes."

Als die Regierung im März 2020 zum ersten großen Milliarden-Paukenschlag rief, suchte sich Sebastian Kurz am Weg  zum Auftritt des "Virologischen Quartetts" noch einmal auf diese zentrale "Message" einzustimmen. Er memorierte laut die korrekte, deutsch etwas sperrige klingende, Übersetzung des Draghi-Slogan: "Was immer es braucht." 

Werner Kogler, der neben ihm ging, ergänzte spontan: "Ja, koste es, was es wolle."

Der türkise Kanzler kaperte postwendend Koglers weitaus eingängigere, aber etwas freihändige Übersetzung des Draghi-Mottos und proklamierte als Regierungslinie zur Rettung von Arbeitsplätzen und Wirtschaft: "Koste es, was es wolle."

Mehr Kohle fürs Militär und den Klimaschutz

Dieser Leitspruch lenkte bis vor kurzem jeden Schritt der Regierung, wenn es um Staatsausgaben ging: von der Kurzarbeit über den Umsatzersatz bis zur COFAG in Sachen Corona. Von den Anti-Teuerungspaketen über die Preisbremsen bis zu den Steuersenkungen in Sachen Energiepreis- und Kostenexplosion.

Auch das Budget 2023, das ab heute in einer dreitägigen Marathon-Debatte im Parlament abgesegnet wird, steht überwiegend noch im Zeichen von "Koste es, was es wolle".

Fürs Bundesheer regnet es Geld wie nie. Auch beim Polizeiminister klingelt es laut in der schwarzen Kasse. Über mehr Budget denn je kann sich im Gegenzug auch die grüne Umweltministerin freuen.

Unis bekommen nicht einmal die Hälfte des Wunsch-Budgets

Just beim Budget für die Universitäten war plötzlich  Schluss mit "Koste es, was wolle". Die Unis errechneten, dass Preisexplosion und Energiekrise die Hochschulen 1,2 Milliarden Euro mehr bis 2024 kosten werden. Im Budgetpfad 2023/24 wollte sich dafür mit 500 Millionen nicht einmal die Hälfte des errechneten Bedarfs finden.

Der Bildungsminister, selbst ein ehemaliger Uni-Rektor, nannte die darob lautstark deponierten Geldsorgen erst nur die "übliche Folklore" der Uni-Rektoren.

Sind die Uni-Verantwortlichen nur Opfer eines politisch total unbegabten Ex-Kollegen, der nun auch beim Finanzminister Haare lassen musste? Oder steigt die ganze Regierung ob der vielen außerordentlichen Milliarden-Spritzen plötzlich auf die Notbremse? Und das ausgerechnet bei Zukunfts-Investionen wie Forschung und Bildung?

"Brave" Technik-Unis proben Aufstand

Gegen Polascheks Budget-Torso machten, auch bislang als unpolitisch und brav geltende, Hochschulen wie die Technische Universität Wien mobil: Ohne mehr Mittel müssten sie bei Forschung und Lehre für Wochen  schlicht zusperren.

Dieser Weckruf ist auch für immer mehr türkise und grüne Parlamentarier alles andere als "Folklore". Die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger plädiert für eine Verdopplung des Uni-Krisenbudgets auf bis zu eine Milliarde Euro für die kommenden beiden Jahre. Auch der ÖVP-Bildungs- und Wissenschaftssprecher und prominente Mathematiker Rudolf Taschner macht sich für mehr Geld für die Unis stark. Dass Abgeordnete beider Regierungspartner in der Woche der Budgetdebatte derart in die Offensive gehen, ist mehr als außergewöhnlich. 

Das Budget 2023 wird dennoch nicht mehr aufgeschnürt werden. Aber selbst der Bildungsminister räumt inzwischen kleinlaut ein, dass die Unis vielleicht doch mehr kosten als er sehenden Auges ins Budget schreiben ließ. Martin Polaschek will nun, und das vorerst nur fürs kommende Jahr, mit 150 Millionen Euro nachbessern. Das ist bestenfalls ein halber Rückzieher, politisch und finanziell: Das Geld soll nicht aus dem Budget, sondern durch Auflösung von Rücklagen im Wissenschaftsressort kommen.

Der offene Konflikt um das politisch total verhaute Uni-Budget könnte zum Muster für künftige Debatten werden.

Magnus Brunner revidiert Kurz-Slogan: "Koste es, was es braucht"

Der Finanzminister ist als Krisen-Feuerwehrhauptmann  mit der Milliardenspritze gefragter denn je. "Koste es, was es wolle" ist für ihn aber von gestern. Ohne den Kurz-Kogler-Slogan beim Namen zu nennen, ließ Magnus Brunner schon vor Wochen wissen: "'Koste es, was es braucht' ist für mich die richtigere Annäherung."

Angesichts der multiplen Krisen werden nicht nur die Budget-Nöte, sondern vielerorts die Geld-Nöte zunehmen. Die Stadtverwaltung von Graz hat bereits "Pleite"-Alarm geschlagen, immer mehr Städte und Gemeinden klagen ob klammer Kassen. 1,5 Milliarden forderten der einflussreiche, rot-schwarz dominierte Städte- und Gemeindebund als Teuerungsausgleich. Die Kommunen müssen sich nun mit einer Milliarde begnügen, zudem versehen mit einer Vielzahl von Auflagen und Zugangshürden.

Nach dem Budget 2023 ist vor dem Ringen um die kommende Verteilung von Steuermitteln. Ab sofort regiert nur noch in Wahlkämpfen - wie aktuell  in Niederösterreich - die dicke Spendierhose. Im Regelfall wird nun beim Griff in die Staatskasse wieder um jeden Euro gerungen werden.

Dann wird auch im Großen gelten, was sich beim Uni-Budget schon im Kleinen abzeichnet: "Koste es, was WIR wollen."

Wer hier auf Sicht für das "Wir" stehen wird, ist derzeit offener denn je.

Josef Votzi ist Journalist und Kolumnist des Magazin "Trend": Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage"  jeden Freitag neu auf trend.at

ribbon Zusammenfassung
  • Der Finanzminister will nicht mehr jedermanns Krisen-Feuerwehrhauptmann sein und die Geldspritzen neu dosieren.
  • "Koste es, was es wolle" ist für ihn von gestern.
  • Der offene Konflikt um das Uni-Budget war dafür nur ein Vorspiel, sagt Kolumnist Josef Votzi.