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"Through the night" beginnt nach dem Ende des Thrillers

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Mit "Through the night" hat die kanadisch-belgische Regisseurin Delphine Girard beim Filmfestival Crossing Europe einen ausführlichen Epilog zu einem Kurzthriller vorgelegt. Es geht um das Thema sexuelle Gewalt und die Aufarbeitung eines Kriminalfalls, bei dem viele reflexartig sagen würden: "Sie hat ja geflirtet." Ein Film mit ausgewogener Sichtweise, ohne Schwarz-Weiß-Malerei und dennoch ein Statement gegen Täter-Opfer-Umkehr - wenn auch mit eher unrealistischem Ende.

Die junge Lehrerin Aly (Selma Alaoui) sitzt im Auto ihres flüchtigen Bekannten Dary (Guillaume Duhesme). Etwas ist passiert - aber was? Aly wählt den Notruf. Am anderen Ende der Leitung sitzt eine Frau, Anna (Veerle Baetens). Aly gibt gegenüber Dary vor, mit ihrer Schwester zu telefonieren und schildert Anna verschlüsselt die Situation, lässt erkennen, dass sie Hilfe braucht. Es gelingt den Wagen zu orten und zu stoppen, Dary wird festgenommen, helfende Hände legen Aly eine Decke um die Schulter.

Hier würde ein 08/15-Thriller enden. Der Täter ist gefasst, das Opfer befreit, Fall gelöst, gut ist's. Delphine Girards "Through the night" - er baut auf ihrem Kurzfilm "Une sœur" ("A sister") aus dem Jahr 2018 auf - beginnt nun aber erst richtig. Erzählt wird mit vielen Rückblenden, wie es mit den Dreien in den kommenden zwei Jahren weitergeht. Während die Behörden ermitteln, arbeitet sie den Fall im Leben von Opfer, Täter und Zeugin auf.

Einvernahmen bei der Polizei. Ganz klar ist die Sache für die Beamten ja nicht. Schließlich ist Aly freiwillig mitgegangen und man war sogar schon bei der Diskussion "Zu mir oder zu dir?" angelangt, dann hat sie es sich allerdings anders überlegt. Dary aber nicht. Lange weiß man nicht, was genau passiert ist. Aly ist gegenüber der Polizei nicht allzu kooperativ, sie will das Trauma nicht ständig wieder erleben. Andererseits braucht das Gericht handfeste Beweise. Dary behauptet, er hätte nicht gemerkt, dass sie nicht will. Und Anna fragt sich immer wieder, wer die Frau ist, mit der sie damals telefoniert hat, will wissen, was aus ihr geworden ist.

Der Film seziert das Handeln aller Beteiligten. Wie sagt man es seinem Umfeld, wie reagiert dieses auf Täter- und auf Opferseite? Kann es wirklich unterschiedliche Sichtweisen desselben Geschehens geben? Es bleibt spannend bis zuletzt. Girard lässt den Zuseher aber nicht im Ungewissen, man erfährt zum Schluss, was genau in dieser Nacht geschah. Die Regisseurin geht mit dem Thema sexuelle Gewalt behutsam um, sie beleuchtet beide Seiten, umschifft gleichzeitig die Gefahr, mögliche Täter-Opfer-Umkehr aufkommen zu lassen.

Ein Kinostart in Österreich ist geplant, der Termin steht aber noch nicht fest.

(Von Verena Leiss/APA)

(S E R V I C E - www.crossingeurope.at)

ribbon Zusammenfassung
  • 'Through the night', ein Film von Delphine Girard, setzt sich mit sexueller Gewalt auseinander und zeigt die Aufarbeitung eines Kriminalfalls über zwei Jahre hinweg.
  • Die Handlung basiert auf Girards Kurzfilm 'Une sœur' von 2018 und beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven von Opfer, Täter und Zeugin.
  • Ein Kinostart des Films in Österreich ist geplant, allerdings steht das genaue Datum noch nicht fest.

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