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Revolution im Iran: "Zeigt weiter Solidarität!"

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Das Medienecho zum Iran ist in den vergangenen Monaten weniger geworden. Doch im Land und in der Diaspora kämpfen die Menschen weiter für das Ende des Regimes.

"Wir haben als iranische Community gemerkt, wenn wir nicht darüber reden, tut es niemand." Die 26-jährige Sara Mohammadi aus Wien ist Studentin und freie Journalistin. Seit dem Tod von Jîna Mahsa Amini im September und dem Ausbruch der Demonstrationen gegen das iranische Regime, informiert die Tochter von zwei Exil-Iranern besonders auf den sozialen Medien zur Situation vor Ort. An vielen Wochenenden ist sie auf Demonstrationen, auf Instagram teilt und übersetzt sie täglich Beiträge aus dem Land. "Ich kämpfe dafür, dass das Thema sichtbar bleibt und nicht in Vergessenheit gerät", sagt sie.

Sara MohammadiMarie Schrentewein

"Die Leute vor Ort gehen auf die Straße und sterben. Das mindeste, was wir tun können, ist zu erzählen, was passiert", sagt die 26- jährige Sara Mohammadi aus Wien.

So wie Sara kämpfen viele in der iranischen Diaspora für Sichtbarkeit. Die Situation im Land ist historisch. Die Proteste sind die größten seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979. Die Menschen gehen auf die Straßen, sie streiken und widersetzen sich mit zivilem Ungehorsam – mittlerweile seit fast einem halben Jahr.

Das mediale Interesse an den Vorgängen hat seither immer wieder abgenommen. Dabei ist die Revolution in vollem Gange, auch wenn zahlenmäßig manchmal weniger Menschen auf den Straßen sind. "Es ist wichtig, diese Revolte als Prozess zu begreifen. Wir haben seit 2017 fast jährlich große Proteste im Iran. Das besondere dieses Mal war, dass das Thema Frauenunterdrückung der Auslöser war", betont die Autorin und Nah-Ost-Expertin Tyma Kraitt. "Die Proteste sind wie eine Welle, bei der es Auf und Abs gibt." So sieht das auch Sara Mohammadi. Sie blickt hoffnungsvoll in die Zukunft – auch, wenn sie weiß, dass Veränderung Zeit braucht. "Der revolutionäre Prozess wird nicht in zwei oder drei Monaten vorbei sein", sagt sie. "Diesen Anschein gab es vielleicht im Westen. Vielleicht wird es noch dauern, aber der Fall des iranischen Regimes muss und wird passieren."

Gefahr auch in der Diaspora

Saras Unterstützung für die Proteste im Iran ist nicht ungefährlich. "Leute, die sich hier kritisch gegenüber dem Regime äußern, werden gezielt beobachtet", sagt sie. Die Angst vor Spitzeln begleite sie schon ihr gesamtes Leben: "Aber ich und viele anderen denken uns: Die Leute vor Ort gehen auf die Straße und sterben. Das mindeste, was wir tun können, ist zu erzählen, was passiert." Für sie ist klar, dass die islamische Republik nicht reformiert werden kann. Genauso wie die Protestierenden im Iran möchte sie den Sturz des Systems.

In den vergangenen Monaten zeigte sich, dass dort am meisten revoltiert wurde, wo der iranische Staat schon zuvor am repressivsten agierte. Dazu zählt etwa Kurdistan im Nord-Westen des Landes oder Belutschistan im Süd-Osten. Für die Expertin Tyma Kraitt spielen diese Minderheiten eine entscheidende Rolle. "Diese Bevölkerungsgruppen erleben sehr viel Diskriminierung", so Kraitt. Diese Unterdrückung habe nicht nur eine ethnische, sondern auch eine religiös-konfessionelle Komponente: Sowohl Kurd:innen als auch Belutsch:innen sind mehrheitlich sunnitische Muslim:innen in einem schiitisch geprägten Land. Auch darum erfahren sie besonders viel gewaltsame Unterdrückung für ihre Proteste.

Die andauernde Revolte im Iran könnte langfristig zu großen Veränderungen in der gesamten Region führen. Dabei spielt auch Jîna Mahsa Aminis kurdische Identität eine wesentliche Rolle. "Die kurdische Frauenbewegung war in den vergangenen Jahren im Nahen Osten sehr prägend", betont Kraitt. Die Parole "Jin - Jiyan - Azadî," (Frau - Leben - Freiheit), die zum Slogan der Proteste im Iran wurde, entstammt eben dieser kurdischen Frauen- und Befreiungsbewegung.

"In Rojava in Nordost-Syrien haben Kurd:innen sich inmitten des syrischen Bürgerkriegs für autonom erklärt und ein politische Experiment gewagt", so Kraitt. "Frauen wurden in alle politischen, zivilen und auch militärischen Strukturen integriert." Dieses Projekt sei eine große Inspirationsquelle für Frauen und Aktivist:innen in der Region. Die Aufstände im Iran hätten eine ähnliche Wirkung.

Widersprüchliche Reaktionen aus dem Westen

Die USA und Europa haben indes nicht ausreichend auf die Situation im Iran reagiert, kritisiert Kraitt. Gerade die Europäische Union trat als scharfe Kritikerin des iranischen Regimes auf – sie habe aber trotzdem ein "großes wirtschaftliches Interesse daran, mit dem Iran zu kooperieren", sagt die Expertin. Im Westen werden die Proteste außerdem oft für die eigenen Agenda genutzt – etwa, um "antimuslimische Ressentiments innerhalb der eigenen Bevölkerung zu schüren".

Auch für Sara Mohammadi ist die Solidarität aus dem Westen ein zweischneidiges Schwert. "Sie bleibt oft auf einer symbolischen Ebene", sagt sie. "Es müssen aber realpolitische Konsequenzen folgen." Unabhängige Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen im Iran haben dafür eine Liste mit zwölf Mindestforderungen veröffentlicht. Dazu zählen etwa die "sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen" oder "die uneingeschränkte Meinungs-, Gedanken-, Presse- und Parteienfreiheit". Die Organisationen setzen sich ebenso für die Abschaffung der Todesstrafe, die Gleichstellung der Geschlechter und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. 

Dafür wird auch Sara weiter protestieren. Von den Menschen in Österreich wünscht sie sich indes vor allem eins: weiter "Solidarität" zu zeigen.

ribbon Zusammenfassung
  • Das Medienecho zum Iran ist in den vergangenen Monaten weniger geworden.
  • Doch im Land und in der Diaspora kämpfen die Menschen weiter.