APA/APA/EU DELEGATION IN VIENNA/LARS TERNES

Gespräche zur Rettung des Wiener Atomdeals fortgesetzt

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Überschattet von einem Cyberangriff auf eine iranische Atomanlage und die Ankündigung schnellerer Uran-Anreicherung durch Teheran sind am heutigen Donnerstag die Gespräche zur Rettung des Wiener Atomdeals nach einwöchiger Unterbrechung fortgesetzt worden. "Es ist gut, dass alle wieder in Wien sind", sagte EU-Verhandlungsleiter Enrique Mora zum Auftakt des Treffens von Spitzendiplomaten aus drei europäischen Staaten, Russland, China und dem Iran in einem Wiener Luxushotel.

Man wolle die Gespräche "trotz der sehr herausfordernden Ereignisse und Ankündigungen der vergangenen Tage" fortsetzen und habe das gemeinsame Ziel, "dass die USA dem Atomdeal wieder beitreten und er vollumfänglich umgesetzt wird", teilte Mora über Twitter mit. Die iranische Seite gab sich zum Auftakt des Treffens ungeduldig. "Es wird ein sehr hartes Treffen. Unsere Position ist klar. Wie unser Führer (Ayatollah Ali Khamenei) gestern sagte, können wir nicht ewig verhandeln", sagte ein führender Diplomat Teherans gegenüber einheimischen Medien.

Der Iran hatte vor dem Treffen den Druck erhöht, indem er ankündigte, Uran zu 60 Prozent anzureichern. Großbritannien, Frankreich und Deutschland zeigten sich besorgt über diese Ankündigung, weil sie einen wesentlichen Schritt hin zu einer Atombombe darstelle. Der im Jahr 2015 geschlossene Deal soll Teheran mit wirtschaftlichen Zugeständnissen von einer Atombombe abhalten.

Iranischen Medienberichten zufolge ging die Zusammenkunft der gemeinsamen Kommission des Atomdeals (JCPOA), der neben den drei europäischen Staaten und dem Iran auch Russland und China angehören, am Nachmittag zu Ende. "Technische Verhandlungen sind aber immer noch im Gange", hieß es. Ein EU-Sprecher hatte der APA zuvor gesagt, dass sich nicht abschätzen lasse, wie lange die Gespräche dauern werden. Beobachter schlossen ein Scheitern am Donnerstag nicht aus, doch galt eine Verlängerung als wahrscheinlicher.

Außenminister Alexander Schallenberg sah die Verhandlungen unter besonderem Zeitdruck. "Es ist vielleicht der letzte diplomatische Rettungsversuch", sagte Schallenberg am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal vor der Fortsetzung der indirekten Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran in Wien. Es gebe nämlich nur ein "enges Mondfenster" für die Gespräche. "Denn wir müssen in Wirklichkeit einen Deal finden bis Mai."

"Der Druck auf beiden Seiten ist enorm, und sie wissen, dass sie sich auf dünnem Eis bewegen und dass die Uhr merklich und laut tickt", betonte Schallenberg mit Blick auf die iranischen Präsidentenwahlen im Juni und die mit Ende Mai befristeten Aktivitäten der internationalen Atomwächter im Iran. In seinen Gesprächen mit beiden Seiten habe er den Eindruck gewonnen, dass "wirklich ein Bemühen da ist" und man sich "der Verantwortung bewusst" sei. Er wertete es als positiv, dass Vertreter der USA und des Iran in Wien seien, auch wenn die Europäer zwischen ihnen "stille Post spielen" müssten.

Auf die Frage nach den Erfolgsaussichten der Gespräche sagte Schallenberg, er sei "notgedrungen optimistisch". "Alles andere wäre eine mittlere Katastrophe", warnte der Außenminister vor einem nuklearen Wettrüsten in der Golfregion, die auch massive Auswirkungen auf die Sicherheit Europas und Österreichs hätte. Schallenberg verteidigte in diesem Zusammenhang auch das Atomabkommen, das zwar "nicht perfekt" sei, etwa, indem es zeitlich begrenzt sei und das iranische Raketenprogramm nicht umfasse. "Besser ein Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach", sagte Schallenberg mit Blick auf Einschätzungen, wonach der Iran die "Breakout Time" (die Zeit zum Bau einer Atombombe) in den vergangenen Jahren auf wenige Monate verkürzt habe.

Schallenberg vermied scharfe Kritik an der jüngsten Entscheidung des Iran, die Uran-Anreicherungsaktivitäten massiv zu verstärken. Es handle sich dabei um "eindeutige Abweichungen" nicht nur vom Atomdeal, sondern auch von den Verpflichtungen Teherans gegenüber der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO/IAEA) in Wien, formulierte Schallenberg. Zugleich bezeichnete er es als "normal und verständlich", dass beide Seiten Aktionen setzen, "die auch für die Innenpolitik gedacht ist". Es sei "ein bisschen wie in einem Pokerspiel", so Schallenberg.

"Der wesentliche Punkt ist eigentlich die Abfolge und Verifikation", erläuterte der Außenminister. Während die Iraner nämlich den Wunsch nach einer Aufhebung der Sanktionen hätten, gehe es andererseits darum, wie die Einstellung der Uran-Anreicherung möglichst schnell überprüfbar gemacht werden könne.

Teheran hat sich in den vergangenen zwei Jahren schrittweise von seinen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen gelöst, nachdem die USA unter Präsident Donald Trump ihre Mitgliedschaft in diesem aufgekündigt hatten. Versuche der europäischen Vertragsparteien, den daraufhin verhängten US-Sanktionen zu trotzen, schlugen fehl. Trumps Nachfolger Joe Biden setzt wieder auf eine diplomatische Lösung des Atomkonflikts, doch spießt es sich zwischen Washington und Teheran an der Frage, welche Seite den ersten Schritt setzen soll.

Der JCPOA genannte Deal war im Sommer 2015 nach jahrelangen Verhandlungen von den UNO-Vetomächten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland mit dem Iran in Wien abgeschlossen worden. In ihm stimmt Teheran einer strengen Überwachung und Begrenzung seines Atomprogramms zu, etwa einer Uran-Anreicherung nur bis vier Prozent. Im Gegenzug sollte das Land wirtschaftliche Erleichterungen erhalten. Für den Bau einer Atombombe ist auf 90 Prozent angereichertes Uran erforderlich.

ribbon Zusammenfassung
  • Die iranische Seite gab sich zum Auftakt des Treffens ungeduldig.
  • Der im Jahr 2015 geschlossene Deal soll Teheran mit wirtschaftlichen Zugeständnissen von einer Atombombe abhalten.