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Putin-Gegner Nawalny in Moskau wieder vor Gericht

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Wenige Tage nach dem international kritisierten Straflager-Urteil hat sich der Kremlkritiker Alexej Nawalny erneut vor Gericht verantworten müssen, weil er einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll. Der neue Prozess fiel am Freitag auf denselben Tag, an dem der EU-Außenbeauftragte bei einem Besuch in Moskau die Freilassung des Oppositionellen forderte. Nawalny bestritt die Vorwürfe und sprach von einem politisch inszenierten Prozess. Es droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Dieser Fall sei von PR-Leuten und Staatsmedien erfunden worden, zitierten Journalisten Nawalny aus dem Gerichtssaal. Hintergrund der Anklage ist ein im Sommer in den Staatsmedien ausgestrahltes Video, in dem sich mehrere Bürger für die Verfassungsänderung aussprechen, die nach Ansicht von Kritikern vor allem dem Machterhalt von Präsident Wladimir Putin dienen soll. Nawalny kritisierte dieses Video als Propaganda und schrieb über die Menschen im Clip: "Schaut sie euch an: Sie sind die Schande des Landes." Außerdem beschimpfte er sie als "Verräter".

Einer von ihnen - ein 94 Jahre alter Veteran aus dem Zweiten Weltkrieg - soll sich von Nawalnys Tweet dermaßen angegriffen gefühlt haben, dass sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechterte. Der Staatsanwaltschaft zufolge soll er Herzprobleme davon bekommen haben. Nawalny muss sich nun wegen Verleumdung verantworten.

Nawalny selbst bezeichnete die Vorwürfe als absurd. Er kenne den Veteranen, der nun als "Marionette" benutzt werde, gar nicht. Der alte Mann, der per Video von seiner Wohnung aus zugeschaltet war, sei geistig überhaupt nicht in der Lage, der Verhandlung zu folgen, seine Antworten diktiere ihm jemand im Hintergrund. Zwischenzeitlich ging es dem 94-Jährigen, der gerade erst eine Operation hinter sich hat, so schlecht, dass ein Krankenwagen gerufen und die Verhandlung unterbrochen werden musste. Nach mehreren Zeugenbefragungen wurde die Verhandlung abgebrochen, sie soll am kommenden Freitag fortgesetzt werden.

Um das Gerichtsgebäude im Nordosten der russischen Hauptstadt hatte sich die Polizei für mögliche neue Proteste in Stellung gebracht, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Es standen Gefangenentransporter bereit. Zunächst hatten sich aber bei frostigem Wetter nur wenige Nawalny-Unterstützer am Gericht versammelt. Eine von ihnen, Elena, bezeichnete Nawalny als "Helden". Mit ihrer Anwesenheit wolle sie ihren "Protest gegen die verbrecherische Macht" ausdrücken.

Nawalny war erst am Dienstag zu dreieinhalb Jahren Straflager verurteilt worden, weil er aus Sicht der Richterin gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben soll, während er sich nach einem Giftanschlag im August in Deutschland aufhielt. Ihm werden aber ein mehrmonatiger Hausarrest und Haftzeiten angerechnet, so dass seine Anwälte von zwei Jahren und acht Monaten im Straflager ausgehen. Das Urteil war international als politisch motiviert kritisiert worden und hatte neue Proteste ausgelöst.

Bereits an den beiden Wochenenden zuvor waren russlandweit Zehntausende Menschen für Nawalnys Freilassung auf die Straße gegangen. Es kam teils zu massiver Polizeigewalt und Bürgerrechtlern zufolge zu insgesamt mehr als 11.000 Festnahmen. Am Donnerstagabend forderte der Oppositionelle seine Anhänger auf, "ihre Angst zu überwinden" und Russland "von dieser Bande aus Dieben" zu befreien. Der Anti-Korruptions-Aktivist ist der prominenteste Kritiker des russischen Präsidenten.

Der Fall Nawalny sorgte unterdessen für diplomatische Spannungen. Russland wies nach den Protesten gegen die Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny und gegen Präsident Wladimir Putin drei Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden aus. Die drei Vertreter seien "zu unerwünschten Personen" erklärt worden. Die Regierungen in Berlin und Warschau kritisierten das Vorgehen Russlands scharf und drohten Konsequenzen an. Schweden sprach von unbegründeten Maßnahmen.

ribbon Zusammenfassung
  • Wenige Tage nach dem international kritisierten Straflager-Urteil hat sich der Kremlkritiker Alexej Nawalny erneut vor Gericht verantworten müssen, weil er einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll.
  • Der neue Prozess fiel am Freitag auf denselben Tag, an dem der EU-Außenbeauftragte bei einem Besuch in Moskau die Freilassung des Oppositionellen forderte.
  • Nawalny bestritt die Vorwürfe und sprach von einem politisch inszenierten Prozess.

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