Übergabe Behindertenrat Forderungspaket 2022Österreichischer Behindertenrat

Ladstätter: Regierung erzeugt "Apartheid" für Menschen mit Behinderung

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Am Freitag übergab der Österreichische Behindertenrat der Bundesregierung ein Forderungspaket. Bereits im September hatte es dazu einen österreichweiten Versuch gegeben, bei dem die Initiator:innen wortwörtlich im Regen stehen gelassen wurden. Präsidiumsmitglied Martin Ladstätter erklärt im Interview, warum Menschen mit Behinderung sich in Österreich von der Politik ignoriert fühlen.

Seit 2008 gilt in Österreich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Aber die Punkte dieser Konvention - von Rechten gegen Diskriminierung, über das Recht auf Leben hin zu Barrierefreiheit und Integration - sind in Österreich nicht genügend umgesetzt. Das wurde auch 2013 schon von einem Assessor der Vereinten Nationen angemerkt, auch Vertreter:innen von behinderten Personen in Österreich sehen das so. 

Auch damals wurde bereits seitens der Vereinten Nationen festgestellt, dass die Spendengala "Licht ins Dunkel" Menschen mit Behinderung in Österreich nicht auf Augenhöhe begegnet. Das wird aktuell auch in der Dokumentation des Mediums "andererseits" kritisiert. 

Regierung agiert "katastrophal schlecht"

Im Sommer 2022 wurde der Nationale Aktionsplan Behinderung beschlossen, das sollte der Kursplan der Politik von 2022 bis 2030 für die Umsetzung der UN-Konvention sein. Martin Ladstätter aus dem Präsidium des Österreichischen Behindertenrates findet den Plan der Bundesregierung "katastrophal schlecht". 

Da haben wir gesagt, nein so geht es nicht – die haben uns bis jetzt schon 14 Jahre ignoriert, und wollen uns jetzt noch bis 2030 ignorieren, das geht nicht.

Martin Ladstätter, Journalist, Meschenrechtler und Vertreter des Österreichischen Behindertenrats
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Martin Ladstätter Behindertenrat

Die Art, wie Menschen mit Behinderung in Österreich behandelt würden, entspreche der Apartheid, sagt Ladstätter. "Den Vergleich hab' ich schon am Ballhausplatz gebracht, wo es manche gerissen hat - aber das was hier gemacht hat, das ist ein System mit apartischen Zügen". Damit meint Ladstätter die Aussonderung von Menschen mit Behinderung in den Schulen, in den Wohnorten -  das sei ganz klassisch Apartheid, sagt er.

Er sagt aber auch, dass er dieses Beispiel gewählt habe, weil dieses System der Unterdrückung in Südafrika überwunden werden konnte. Und das will Ladstätter auch in Bezug auf die österreichische Behindertenpolitik sehen. Aber, um das zu erreichen, müsse Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die Aussonderung der gesamten Gesellschaft nicht hilft. 

Forderungen eigentlich im Regierungsprogramm

Das Forderungspaket würde diesmal der Bundesregierung übergeben, weil viele der geforderten Maßnahmen im aktuellen Regierungsprogramm stehen. Umgesetzt wurden sie bisher aber noch nicht. Damit die Vertreter:innen diesmal nicht im Regen stehen gelassen werden, überreichten sie das Forderungspaket persönlich vor den Parteizentralen der Grünen und der ÖVP. 

Krammer: Theorie und Praxis schaut für Menschen mit Behinderung anders aus

Martin Ladstätter selbst ist Vertreter des Österreichischen Behindertenrats, Journalist, Menschenrechtler und auch Mitglied des Publikumsrats des ORF. Laut ORF-Gesetz müssen verschiedenste Bevölkerungsgruppen in den Gremien des ORFs vertreten sein. Ladstätter bringt im Publikumsrat die Anliegen von Menschen mit Behinderung ein, zum Beispiel wenn es um Themen wie Barrierefreiheit oder das neue Sendeschema geht. 

Barrierefreiheit betrifft alle

Dass redaktionelle Angebote barrierefrei sein müssen, betrifft nicht nur den ORF. "Nach gesetzlicher Regelung sind alle Medienunternehmen zur Barrierefreiheit verpflichtet, der ORF hat das im ORF-Gesetz", für die anderen Medien ist das im Behinderten-Gleichstellungsgesetz geregelt. Das gelte seit 2006, so Ladstätter. 

"Licht ins Dunkel" in der Kritik

Das inklusive Medium "andererseits" veröffentlichte eine Dokumentation rund um die ORF-Spendengala "Licht ins Dunkel". Darin wird kritisiert, dass Menschen mit Behinderung nicht auf Augenhöhe begegnet werden würde und Politiker:innen die Show als Werbespektakel für sich selbst nutzen würden, ohne den politischen Willen den Spendenbedarf langfristig abzuschaffen. 

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Am Donnerstag lud der ORF-Generaldirektor Roland Weißmann Vertreter:innen der Organisationen für Menschen mit Behinderungen zu einem runden Tisch im Jänner, um über die Zukunft der Spendengala zu diskutieren. 

Ich bin sicher, dass es gemäß der Forderung des Schutzherren der Aktion Licht ins Dunkel und gemäß der gestrigen Aussagen des Generaldirektors, ein Gesprächsformat geben wird, wo man ganz klar analysiert, was gewollt und was gesendet wird. Und wo das Verbesserungspotenzial da ist. Die Darstellung von Menschen mit Behinderungen ist auch in einem Spendenformat an Kriterien zu messen. 

Martin Ladstätter

Insgesamt leistet der ORF viel für die Integration von Menschen mit Behinderung in die mediale Berichterstattung: Nachrichten in einfacher Sprache zum Beispiel, das erfülle mit Ausnahme der "Kleinen Zeitung" sonst niemand, sagt Ladstätter. 

Bei der Kritik an "Licht ins Dunkel" ginge es um die Darstellungsform. Bei der Gala zum 50-jährigen Bestehen von "Licht ins Dunkel" wurden beispielsweise Aufnahmen eines Jugendlichen gezeigt, der mit Gesten gezeigt hätte, dass er nicht gefilmt werden wollte. "Das halte ich für einen schweren Verstoß und solche Dinge müssen beendet werden", sagt Ladstätter, "vor allem, weil das ein geschnittener Beitrag war und keine Livesendung". Live könne so etwas passieren, aber bei geschnittenen Beiträgen sei das nicht okay. 

Gleichzeitig hätte es bei der Gala aber auch "wunderbare" Beiträge gegeben, sagt Ladstätter. Es gibt in der journalistischen Arbeit ein großes Spektrum von großartig bis hin zu "sollte in dieser Form nicht erscheinen" - das müsse analysiert werden und Ladstätter ist sich sicher, dass der Generaldirektor das auch einfordern werde.

Ich bin mir sicher, der Herr Bundespräsident als Schutzherr sieht das auch so. Wir als Behindertenrat sehen das sowieso so. 

Martin Ladstätter

Es braucht Druck

Die Forderungen an die Politik sind nicht neu. Der Behindertenrat fordert fast jährlich die Umsetzung der von der Politik bereits  beschlossenen Maßnahmen. 

"Es passiert ein bissl was, aber der Punkt ist, wie viel Überzeugungskraft und Druck kann man aufbauen. Unterschiedliche Gruppen haben zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Stärke". Zum Beispiel sei die Gewerkschaft verschieden stark, je nachdem wer aktuell in der Regierung säße. 

"Uns hilft im Moment sehr, dass unsere Kraft über die Medien kommt. Je mehr darüber berichtet wird, desto weniger kann man darüber hinwegsehen. Wenn jetzt auch noch neben den Medien die Justiz kommt, wenn das gut ausgeht für uns, dann ist das natürlich automatisch wieder Thema und Handlungsbedarf", das sagt der Vertreter des Behindertenrats im Interview. 

Aktuell läuft eine Verbandsklage des Klagsverbands gegen das Bildungsministerium, um die Unterstützung von Kindern mit Behinderungen im Schulalltag zu sichern. 

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ribbon Zusammenfassung
  • Am Freitag übergab der Österreichische Behindertenrat der Bundesregierung ein Forderungspaket.
  • Präsidiumsmitglied Martin Ladstätter erklärt im Interview, warum die Menschen mit Behinderung sich in Österreich von der Politik ignoriert fühlen.

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