APA/APA (dpa)/Michael Kappeler

Moskau wirft Berlin "Bluff" im Fall Nawalny vor

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Im Streit um die Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny erwartet Russland von Deutschland Belege. "Es ist an der Zeit, die Karten offen zu legen, weil es für alle klar ist: Berlin blufft, um einem schmutzigen politischen Getue dienlich zu sein", schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Dienstag auf Facebook.

Das betreffe die Ergebnisse der Untersuchungen in einem Labor der deutsche Bundeswehr und die Beweise des deutschen Außenministeriums, schrieb Sacharowa. Russland bestreitet, in den Fall verwickelt zu sein.

Der deutsche Botschafter werde zum Gespräch erwartet, so Sacharowa. Das Gespräch soll am Mittwoch stattfinden, verlautete aus der deutschen Botschaft. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, dass es sich um einen lange geplanten Termin handle.

In Deutschland geht unterdessen die Diskussion um mögliche Auswirkungen für die Pipeline Nord Stream 2 weiter, die durch die Ostsee gebaut wird und Erdgas von Russland nach Deutschland transportieren soll. An dem Projekt ist auch die österreichische OMV beteiligt.

Nawalny, einer der schärfsten Gegner von Kremlchef Wladimir Putin, war am 20. August auf einem Inlandsflug in Russland ins Koma gefallen und später auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité verlegt worden. Die deutsche Regierung hatte nach Untersuchungen in einem Spezial-Labor der deutschen Bundeswehr mitgeteilt, dass sie es als zweifelsfrei erwiesen ansehe, dass Nawalny mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet worden sei. Am Montag wurde bekannt, dass der 44-Jährige nach mehr als zwei Wochen wieder aus dem Koma geholt wurde.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel erklärte in einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von mehreren Teilnehmern zu einem möglichen Stopp von Nord Stream 2: "Ich habe mir da noch kein abschließendes Urteil gebildet."

Merkel sagte nach diesen Informationen, nun werde man in der Europäischen Union Schritt für Schritt über eine Antwort sprechen, - spätestens auf dem Brüsseler EU-Gipfel am 24. und 25. September. In der EU mache nicht jeder Nord Stream 2 nun zum Thema. Russland als Mitglied der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) könne auch Beiträge zur Aufklärung leisten. Bisher habe man davon aber noch nichts gesehen. Merkel betonte: "Es ist eine europäische Reaktion gefragt, es ist keine spezielle Attacke auf Deutschland gewesen."

Der Kreml ließ wissen, dass er die Diskussionen über einen möglichen Baustopp für Nord Stream 2 für überflüssig hält. "Warum sollte man von irgendwelchen negativen Maßnahmen gegenüber dem internationalen Projekt sprechen, an dem auch deutsche Unternehmen beteiligt sind?", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Der Kreml sieht die Gasleitung von Russland nach Deutschland als ein wirtschaftliches Projekt und kein politisches, was bisher auch Linie der Bundesregierung war.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki forderte von Deutschland mit Blick auf die Vergiftung Nawalnys und Russlands Drohung einer Intervention in Belarus eine Abkehr von Nord Stream 2. Dies sei der "letzte Weckruf" für die Bundesregierung, das Projekt zu stoppen, sagte er dem TV-Sender Bloomberg. "Ich denke, nach dem Fall Nawalny sollte das eigentlich ein Selbstläufer sein." Nord Stream 2 umgeht Transitländer wie Polen und die Ukraine. Die Regierung in Warschau fürchtet, dass Russland damit die Abhängigkeit Europas von seinen Gaslieferungen erhöhen und die bisherigen Transitländer unter Druck setzen könnte.

ribbon Zusammenfassung
  • Das betreffe die Ergebnisse der Untersuchungen in einem Labor der deutsche Bundeswehr und die Beweise des deutschen Außenministeriums, schrieb Sacharowa.
  • Das Gespräch soll am Mittwoch stattfinden, verlautete aus der deutschen Botschaft.
  • In der EU mache nicht jeder Nord Stream 2 nun zum Thema.
  • "Ich denke, nach dem Fall Nawalny sollte das eigentlich ein Selbstläufer sein."
  • Nord Stream 2 umgeht Transitländer wie Polen und die Ukraine.

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