APA/HELMUT FOHRINGER

Der Fall Blümel: Die zeitliche Abfolge

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Nicht nur die Ermittlungen gegen Gernot Blümel sind bemerkenswert, auch was zwischen der Bewilligung der Hausdurchsuchung im Dezember 2020 und heute geschah.

Selbst wenn man Wörter wie "Politbombe" oder "Knalleffekt" nicht mag, kann man die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vergangenen Woche getrost als solche bezeichnen – immerhin war die Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Finanzminister ein Novum. Doch nicht nur was im Akt steht ist interessant, sondern auch was vor und nach der Hausdurchsuchung geschah.

Gegen Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann wird schon länger ermittelt, das ist bekannt. Dass auch Finanzminister Gernot Blümel als Beschuldigter geführt wird, wurde am Dienstag vor einer Woche bekannt. Blümel selbst sagt, er hätte aus den Medien davon erfahren.

Hausdurchsuchung bewilligt

Beantragt wurde die Hausdurchsuchung von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bereit im vergangenen Jahr, bewilligt wurde diese am 23. Dezember 2020 von einer unabhängigen Richterin.

Akten im Ibiza-U-Ausschuss

Nach übereinstimmenden Meldungen der FPÖ und der NEOS landete der Ermittlungsakt am 29. Jänner als Rohdaten beim Ibiza-U-Ausschuss und war damit für die ÖVP einsehbar. In der Aktensuchmaske soll er ab dem 2. Februar 2021 abrufbar gewesen sein, schreiben die NEOS.

"Routinemäßige" Nachfrage

Just am 1. Februar 2021 hat Werner Suppan, Blümels Anwalt, ein Schreiben Schreiben an die WKStA gerichtet und gefragt, ob "allfällige Ermittlungsverfahren" gegen Blümel "eingeleitet wurden bzw. anhängig sind". Der "Presse" sagte er, es habe sich um eine routinemäßige Anfrage gehandelt. Von der WKStA soll es keine Antwort gegeben haben.

Leak aufgetaucht

Am Dienstag, 9. Februar 2021, teilte ein Journalist von "Dossier" ein Dokument, auf dem Blümel als 20. Beschuldigter gelistet ist.

Haudurchsuchung bzw. "freiwillige Nachschau"

Am Donnerstag, 11. Februar 2021, wurde Blümel zu einem Gespräch in die Räumlichkeiten der WKStA geladen. Blümel sagte, es sei ein "gutes Gespräch" gewesen und er hätte dort erfahren, warum gegen ihn ermittelt werde. Die "freiwillige Nachschau" bei Blümel zuhause fand im Anschluss an die Einvernahme statt. Dabei wurden Unterlagen und elektronische Geräte sichergestellt. Insgesamt fanden an diesem Tag bei drei Beschuldigten mehrere Hausdurchsuchungen statt.

Noch am Abend trat Blümel vor die Presse, dabei betonte er mehrfach, dass die Vorwürfe falsch und einfach zu widerlegen seien.

Eidesstaatliche Erklärung  

Tags darauf legte Blümel eine eidesstattliche Erklärung vor, der zufolge die Novomatic keine Spenden direkt an die ÖVP oder ÖVP-nahe Vereine gezahlt hat. Er schloss das Statement mit: "Ich kann ausschließen, dass es Spenden für meine politische Arbeit gegeben hat. Wer etwas anderes behauptet, wird geklagt."

Klagen

Geklagt wird eifrig. Bis Sonntag standen bereits 13 Klagen "wegen Beleidigung und übler Nachrede, sowie auf Unterlassung" fest, weitere seien in Vorbereitung, ließ ÖVP-Generalsekretärin Gaby Schwarz wissen. Betroffen seien vor allem Postings in sozialen Netzwerken.

WKStA wird attackiert

Die ÖVP geht aber nicht nur gegen Postings von Bürgern vor, sondern auch sonst in die Offensive. Unter anderem stellt sie die Basis der Hausdurchsuchung infrage und fordert eine "volle Aufklärung der Vorgehensweise der WKStA". Es soll weder eine Spende von Seiten der Novomatic noch einen Termin mit Kurz gegeben haben.

Die Namensverwechslung, die keine ist

Hüllte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die letzte Woche noch in Schweigen, wurde er bei einer Pressekonferenz am Montag, 15. Februar 2021, darauf angesprochen. "Die Vorwürfe sind falsch", sagte Kurz, Blümel habe die Vorwürfe "innerhalb weniger Stunden aufklären können". Gleichzeitig wiederholte er die ÖVP-Version, wonach ein falsch verstandener Kalendereintrag bei Novomatic-Eigentümer Johann Graf zu der Hausdurchsuchung geführt habe. Das ist allerdings falsch. Tatsächlich hat die WKStA eine Verwechslung mit eben jener Martina Kurz bereits im Vorhinein ausgeschlossen, wie Ermittlungsakten, die PULS 24 vorliegen, zeigen. Darin steht:
"Angemerkt wird, dass zum Zeitpunkt des Termins Mag. Martina KURZ Mitglied des Aufsichtsrats der NOVOMATIC AG war. Es findet sich jedoch bis auf diesen Termin kein anderer Termin mit „Kurz“. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist daher kein Bezug zur Aufsichtsrätin Mag. KURZ erkennbar."

"Viele Verfehlungen"

Ebenfalls attackierte Kurz bei der Pressekonferenz erneut die WKStA. Bei dieser habe es "viele Verfehlungen" gegeben, behauptete er. Kurz führte alles aus, womit die Staatsanwaltschaft während der vergangenen Monate in die Schlagzeilen gekommen war: die rechtswidrige Hausdurchsuchung im BVT, eine Anzeige gegen eine Journalistin sowie gegenseitige Abhörungen und Anzeigen innerhalb der Beamtenschaft - eine Anspielung auf den Dauerkonflikt der WKStA mit der Oberstaatsanwaltschaft und dem Sektionschef Christian Pilnacek.

Zudem seien in den letzten Jahren von 40.000 Beschuldigten nur 400 überführt worden. "Damit war von 100 nur einer schuldig, 99 sind es nicht." Die zu Unrecht Beschuldigten seien aber oft in der Öffentlichkeit gestanden und ihre Karieren seien zerstört worden, so Kurz

Kogler verteidigt WKStA

Dem widersprach Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler am Montagabend in der "ZiB2". Die vom Kanzler dargestellte Relation zwischen von der WKStA Beschuldigten und letztlich Verurteilten führe "in die Irre". Denn es seien nicht 40.000 Beschuldigte, sondern "Beschuldigte im weiteren Sinn" - und das umfasse in der Justiz-Statistik auch Verdächtige, also Menschen, bei denen überhaupt erst geprüft wird, ob ein Anfangsverdacht gegeben ist. Solche "Zurufe zeugen nicht von viel Sachverstand", merkte Kogler an.

Ob die Grünen dem Misstrauensantrag zustimmen werden? "Erstens weiß ich es nicht und zweitens nehme ich darauf keinen Einfluss", sagte Kogler. Er sei nicht nur Parteichef, sondern vertrete derzeit auch die Justizministerin. Und es wäre "wichtig, dass sich die Justiz hier raushält", merkte er an. Grüne und ÖVP würden in "zentralen Bereichen" - von Pandemie bis Klimaschutz - "hervorragend zusammenarbeiten", man könne "nicht immer nur auf einen Teil den Fokus richten".

Auf jeden Fall gehe Kogler "noch davon aus" und halte es "auch für sehr wahrscheinlich", dass die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält.

Ruf nach Oberstaatsanwalt

Nicht nur die Hausdurchsuchung bei Blümel sind ein Novum, sondern auch der türkise Ruf nach einem Bundesstaatsanwalt. Genau diesen an der Spitze der Weisungskette hatte die ÖVP ihren roten und grünen Koalitionspartnern über viele Jahre verwehrt. Erfreut über die neue Wendung zeigten sich Staatsanwälte und Richter.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

ribbon Zusammenfassung
  • Nicht nur die Ermittlungen gegen Gernot Blümel sind bemerkenswert, auch was zwischen der Bewilligung der Hausdurchsuchung im Dezember 2020 und heute geschah.

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