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Kurz-Ermittlungen: So unterschiedlich reagieren ÖVP, Grüne, SPÖ und FPÖ

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Die Ermittlungen der WKStA gegen Sebastian Kurz (ÖVP) haben die Politik auch am Wochenende beschäftigt. Diskutiert wurde vor allem, wann Konsequenzen oder auch ein Rücktritt angebracht wären. Die Reaktionen reichen von "schließe ich definitiv aus" bis "lieber heute als morgen".

Am Montag wird auf Wunsch von SPÖ, FPÖ und NEOS eine Sondersitzung es Nationalrats stattfinden. Der Grund dafür ist eigentlich die verzögerte Aktenlieferung von Finanzminister Gernot Blümel. Doch die Ermittlungen gegen den Bundeskanzler werden sicher ein zentrales Thema sein.  Die Opposition will deshalb eine Ministeranklage gegen Blümel einbringen, die aber - ebenso wie ein Misstrauensantrag gegen Kurz, den sich die FPÖ wünscht - so gut wie keine Erfolgsaussichten hat.

Die Hintergründe der Ermittlungen gegen Kurz

PULS 24 Reporterin Barbara Piontek fasst die Hintergründe des Ermittlungsverfahrens gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammen.

Kurz: Rücktritt bei Anklage "schließe ich definitiv aus"

Kurz selbst hingegen geht - wie er in Interviews mit "Kronen Zeitung" und "Österreich" bekräftigte - zwar von einer Anklage aus, rechnet aber mit einem Freispruch. "Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man in einem Land wie Österreich für etwas, was man nicht getan hat, verurteilt wird", unterstrich er, dass seine "Aussagen im U-Ausschuss richtig" gewesen seien. Einen Rücktritt schon bei Anklage "schließe ich definitiv aus", ließ er wissen.

Stellungnahme: Zweifel an Falschaussage

Die Kanzler-Meinung wird von Hubert Hinterhofer, Professor für Straf- und Strafverfahrensrecht an der Uni Salzburg, untermauert. Hinterhofer erstellte im Auftrag der Kanzlei von ÖVP-Parteianwalt Werner Suppan, der wiederum von der Bundespartei beauftragt wurde, eine Stellungnahme, die PULS 24 vorliegt. Darin wird erläutert, dass der Mitteilung der WKStA ein "für eine Anklage notwendiger dringender Tatverdacht" nicht zu entnehmen sei. Die Ausführungen dafür seien "insgesamt zu spekulativ und unterstellend". In der Stellungnahme wird bezweifelt, "dass der Bundeskanzler - selbst bei Unterstellung objektiv unrichtiger Aussagen seinerseits - vorsätzlich falsch ausgesagt hat", da ihm klar sein musste, dass eine Falschaussage unweigerlich eine Strafanzeige nach sich gezogen hätte.  

Köstinger: Kein Rücktritt selbst bei Verurteilung

Unterstützung bekam Kurz aus der ÖVP-Regierungsriege. "Nein" antwortete Landwirtschaftsministerin Köstinger auf die Frage der "Presse", ob Kurz zurücktreten sollte, sollte er angeklagt oder verurteilt werden. "Ich habe manchmal den Eindruck: Weil man ihn und uns bei Wahlen nicht besiegen kann, versucht man es halt vor Gericht", argumentierte sie ganz auf Linie des Gegenangriffs auf die Opposition - und hielt dieser vor, mit ihrem "System der Anzeigen dem politischen Klima" zu schaden.

Hanger zu Kurz-Ermittlungen

Der ÖVP-Fraktionsvorsitzende im Ibiza-U-Ausschuss, Andreas Hanger ist der Ansicht, dass sich die Vorwürfe gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "in Luft auflösen werden".

Kocher: "Gewisses System" der Anzeigen

Arbeitsminister Martin Kocher - der kein Parteimitglied ist - sieht eine starke Polarisierung zwischen Regierung und Opposition - auch durch die "Anzeigen", mit einem "gewissen System dahinter". Aber eine solche sei in der Corona-Krise weltweit festzustellen, ergänzte er.  Er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Kurz "bewusst die Unwahrheit gesagt hat im U-Ausschuss". Für Spekulationen über Konsequenzen sei es "viel zu früh". Neuwahlen hält Kocher für "sehr unwahrscheinlich".

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Rendi-Wagner: Bei Anklage Rücktritt - von Kurz und Doskozil

"Eine Anklage wäre mit der Amtsfähigkeit nicht vereinbar", begründete SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im "Kurier" (Sonntags-Ausgabe), warum ein Strafantrag für sie die "rote Linie" ist - und zwar "unabhängig von Partei oder Amt", wie sie mit Blick auf ihren burgenländischen Parteifreund LH Hans Peter Doskozil (gegen den ebenfalls wegen Falschaussage ermittelt wird) sagte. Sollte der Kanzler trotz Anklage im Amt bleiben, würde ihm die SPÖ "das Misstrauen aussprechen, weil er Land und Amt großen Schaden zufügt". Schließlich käme es dazu nur, wenn die Staatsanwaltschaft an den Schuldspruch glaubt, merkte Rendi-Wagner an.

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Kogler: "Grenzen der Amtsfähigkeit"

Darauf, dass solche - zumindest nicht unmittelbar - bevorstehen, lässt die große Zurückhaltung der Grünen schließen. Auch am Wochenende war von ihnen keine Kritik und keine Forderung Richtung ÖVP zu hören. Parteichef Werner Kogler räumte zwar - im "Standard" - ein, dass es "Grenzen der Amtsfähigkeit und des politischen Vertrauens der Bevölkerung" gebe. Aber wo die liegen, werde "schrittweise zu beurteilen sein."

Mückstein: Nicht die Zeit "zu spekulieren"

Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein wich dem in der ORF-Reihe "Im Journal zu Gast" aus: Jetzt sei "nicht Zeit über irgendwas zu spekulieren", jetzt müsse die Justiz prüfen und die Grüne Justizministerin Alma Zadic sei "Garant, dass nix daschlogn wird", trug er parteilinien-konform vor. Ebenso Umweltministerin Leonore Gewessler im "Ö3-Frühstück bei mir": Sie räumte aber ein, dass - was das Regierungsklima betrifft - "jetzt gerade eine Zeit ist, wo sehr viel Wind von allen Seiten bläst". Der Frage, ob die Grünen die Koalition platzen lassen, wich sie aus mit der Bemerkung, es sei solange es möglich sei, Dinge in eine positive Richtung zu entwickeln, sei es auf jeden Fall gut, wenn die Grünen in der Regierung sind".

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FPÖ will Misstrauensantrag

Spekulationen über Neuwahlen oder einen fliegenden Regierungswechsel gab es freilich dennoch - hat doch auch die FPÖ versucht, die anderen Oppositionsparteien für einen Misstrauensantrag gegen Kurz gleich am Montag in der Sondersitzung des Nationalrats zu gewinnen. Eine Mehrheit dafür zeichnete sich im Vorfeld allerdings nicht ab.

Schnedlitz: Rücktritt "lieber heute als morgen"

Aus Sicht der FPÖ kann der Kanzler "im Falle einer Anklage mit seinem Team nicht länger im Amt bleiben", betonte Generalsekretär Michael Schnedlitz am Sonntag in einer Aussendung - und merkte an: "Besser wäre, er würde lieber heute als morgen den Hut nehmen und den Weg für einen Neustart freimachen." Kurz' Kritik wies er zurück: "Anstatt der Opposition die Schuld für die Ermittlungen gegen seine Person zuzuschieben, sollte er endlich Verantwortung für sein Tun und Handeln übernehmen", meinte er.

APA/HANS PUNZ

Ludwig schließt bei Neuwahl ÖVP-Koalition nicht aus

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hielte von einer Neuwahl wenig: "In der jetzigen Situation, in einer Pandemie, mit starken Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt, sollte es andere Herausforderungen geben, als eine Neuwahl vom Zaun zu brechen", meinte er in der "Kronen Zeitung" - und hielt sich auch bei der Rücktrittsfrage auffällig zurück. Eine Anklage gegen einen Kanzler wegen vermeintlicher Falschaussage im U-Ausschuss wäre "das erste Mal in der Zweiten Republik. Von daher wäre das eine sehr ernste Situation", sagte er nur - und schloss für den Fall einer Neuwahl eine Koalition mit der ÖVP nicht aus.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Ermittlungen der WKStA gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) haben die Politik auch am Wochenende beschäftigt.
  • Kurz bekräftigte, dass er auch im Fall der Anklage nicht an Rücktritt denkt.
  • Die SPÖ pocht auf Rücktritt bei Anklage, die FPÖ spätestens dann.
  • Einen Rücktritt schon bei Anklage "schließe ich definitiv aus", ließ er wissen.
  • Neuwahlen hält Kocher für "sehr unwahrscheinlich".
  • Aber wo die liegen, werde "schrittweise zu beurteilen sein."

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