APA/dpa/Thomas Frey

Staudamm "äußerst instabil": Gefahr bei Hochwasser-Katastrophe in Deutschland noch nicht vorbei

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Die Opferzahlen nach der Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands steigt auf über 143. Aufräum- und Bergungsarbeiten sowie die Suche nach Vermissten geht weiter. Bundespräsident Steinmeier reiste nach Nordrhein-Westfalen, Kanzlerin Merkel sicherte Hilfe zu.

Die Wetterlage bleibt auch am Samstag in Deutschland angespannt, Aufgrund der Hochwasser-Katastrophe in den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurde der militärische Katastrophenalarm ausgelöst. Panzergrenardiere der deutschen Bundeswehr helfen in der Krisenregion.

Die Zahl Toten nach der Unwetterkatastrophe in Deutschland ist auf mehr als 143 gestiegen, die genaue Zahle der Vermissten ist unklar, weil an vielen Orten das Handynetz ausgefallen ist und viele Menschen nicht erreichbar sind. 

In Rheinland-Pfalz lag die Zahl der bestätigten Todesopfer am Samstagabend bei 98, im nördliche angrenzenden Nordrhein-Westfalen bei 45. Es wurde befürchtet, dass noch weitere hinzukommen, weil einige Autowracks und vollgelaufene Keller noch nicht kontrolliert werden konnten. Hunderte Menschen wurden laut Polizei verletzt.

Der militärische Katastrophenalarm wurde ausgerufen

Vier Feuerwehrleute unter Toten

Während sich das verheerende Hochwasser aus vielen Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz langsam zurückzieht, wird in den Trümmern weiterhin nach Todesopfern und Verletzten gesucht. Unter den Opfern in Nordrhein-Westfalen sind vier Feuerwehrleute, wie am Samstag bekannt wurde.

Staudamm droht  zu brechen

Die Gefahr ist aber noch nicht überall gebannt. An der Steinbachtalsperre bei Euskirchen droht trotz des sinkenden Wasserstands weiterhin ein Bruch des Staudamms. Der Damm sei "äußerst instabil", große Teile des Bauwerks seien weggebrochen, teilte die Bezirksregierung Köln am Samstag mit. Es bestehe weiterhin akute Überflutungsgefahr für die Orte unterhalb der Talsperre. Weitere Evakuierungen seien deshalb geplant.

Flutkatastrophe: Wie Betroffene die Überschwemmungen erlebten

Harald Peters und weitere Betroffene der Flutkatastrophe in Deutschland schildern ihre Erlebnisse während der Überschwemmungen.

Belgien: Lage "extrem kritisch"

Auch in den Nachbarländern Belgien und den Niederlanden werden die Zahlen noch nach oben korrigiert. In Belgien, wo bis Freitag 120 Feuerwehrleute aus Österreich im Einsatz waren, sind bereits mindestens 20 Menschen gestorben. Premierminister Alexander De Croo rief für Dienstag einen Trauertag aus. "Dies könnten die katastrophalsten Überschwemmungen sein, die unser Land je gesehen hat", meinte De Croo bei einer Pressekonferenz und warnte, dass die Lage weiterhin "extrem kritisch" sei. In den Niederlanden sind Tausende auf der Flucht vor dem Hochwasser.

Es handelt sich um eine der größten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit in Deutschland. Obwohl die Rettungsmaßnahmen noch voll im Gange waren, lag die Zahl der Toten bereits um ein Vielfaches so hoch wie beim sogenannten Jahrhunderthochwasser des Jahres 2002, bei dem in Deutschland 21 Menschen starben. 

Helfer im Hochwasser-Gebiet: "Nach 24 Stunden im Einsatz abgelöst"

Chronik-Chefreporterin Magdalena Punz spricht beim Lokalaugenschein im Hochwasser-Gebiet auch mit dem Einsatzleiter der Helfer vor Ort.

Evakuierungen nach Dammbruch 

Am Freitagabend brach im Kreis Heinsberg ein Damm. Die Gemeinde Ohe musste komplett evakuiert werden, die Räumung eines Ortsteils der Gemeinde Ophoven wurde am Freitagabend begonnen, 700 Personen wurden aus der Gefahrenzone gebracht. Auch die Orte Effeld und Steinkirchen sind von Überschwemmungen bedroht. 

Flutkatastrophe in Deutschland: Weitere Häuser drohen abzurutschen

Nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerung und Katastrophenschutz (BBK) in Bonn sind in Nordrhein-Westfalen 23 Städte und Landkreise von Überschwemmungen betroffen. 

Laschet: "Jahrhundertkatastrophe" 

Zu Mittag besuchten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und NRW-Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet den schwer getroffenen Ort Erftstadt.

Steinmeier sprach von Schäden, "die unsere Vorstellungskraft übersteigen". Es gebe "Gemeinden, die von Verwüstung, von Zerstörung gezeichnet sind". Laschet sprach von einer "Jahrhundertkatastrophe". Es sei eine "nationale Aufgabe", der betroffenen Region zu helfen. Der CDU-Chef und konservative Kanzlerkandidat versprach Direkthilfe für die betroffenen Menschen und sagte zu, dass "sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt" werde. Danach werde man zusammen mit dem Bund "strukturell" den Städten helfen müssen, den Wiederaufbau zu bewerkstelligen. Am Sonntag wird auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der schwer verwüsteten Region in Rheinland-Pfalz erwartet.

1.300 Vermisste im Landkreis Ahrweiler

Stundenlanger Starkregen hatte zu einem verheerenden Hochwasser geführt. Schwerpunkt der Katastrophe in Rheinland-Pfalz ist der Kreis Ahrweiler. Dort galten zwischenzeitlich aufgrund des zusammengebrochenen Mobilfunknetzes 1.300 Menschen als vermisst, mehr als 620 Verletzte werden gezählt. Allein in dem 700 Einwohner zählenden Dorf Schuld an der Ahr wurden mehrere Häuser von den Wassermassen mitgerissen, zahlreiche weitere Gebäude teils schwer beschädigt. 

Erhebliche Schäden gab es auch in weiteren Regionen der Eifel sowie im Landkreis Trier-Saarburg.

Flutkatastrophe: Lokalaugenschein in betroffenen Gebieten

PULS 24 Chronik-Chefreporterin Magdalena Punz macht sich in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten in Deutschland ein Bild von den Verwüstungen.

Dramatische Berichte kamen aus Erftstadt: In Erftstadt-Blessem sei eine Reihe von Häusern ganz oder teilweise eingestürzt, teilte die Bezirksregierung Köln mit. Ursache seien massive und schnell fortschreitende Unterspülungen der Häuser.  

Über 100.000 ohne Strom

Bahnstrecken und Straßen sind zerstört, in der Gegend um Ahrweiler wurde eine Erdgasleitung zerstört, laut "tagesschau.de" gehen die Behörden davon aus, dass die Versorgung wochenlang unterbrochen sein wird. Rund 102.000 Menschen in zwei deutschen Bundesländern sind ohne Strom. 

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Auch in Österreich und der Schweiz Überschwemmungen

Ebenfalls mit Hochwasser zu kämpfen haben Nachbarländer Deutschlands. In Österreich machte der Starkregen in Vorarlberg in der Nacht auf Freitag mehr als 50 Feuerwehr-Einsätze notwendig. Hauptsächlich galt es unter Wasser stehende Keller auszupumpen. Ebenso kam es zu einzelnen Behinderungen im Verkehr. Fast ausschließlich betroffen war der vordere Bregenzerwald, wo innerhalb von 24 Stunden 80 oder mehr Liter Regen pro Quadratmeter fielen. Verletzt wurde niemand.

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In der Schweiz stiegen Flusspegel nach starken Regenfällen stark an. Im Kanton Schaffhausen überschwemmten laut der Nachrichtenagentur Keystone-sda angeschwollene Bäche die Dörfer Schleitheim und Beggingen. Wassermassen flossen durch Straßen, in Keller, rissen Fahrzeuge mit und zerstörten kleinere Brücken. In Belgien wurden entlang der Maas vorbeugend Menschen aus einigen Gemeinden in Sicherheit gebracht, wie die Nachrichtenagentur Belga meldete.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Zahl Toten nach der Unwetterkatastrophe in Deutschland ist auf mehr als 130 gestiegen, die genaue Zahle der Vermissten ist unklar, weil an vielen Orten das Handynetz ausgefallen ist und viele Menschen nicht erreichbar sind.
  • Allein in Rheinland-Pfalz im besonders betroffenen Großraum Ahrweiler werden inzwischen mindestens 90 Todesopfer vermeldet.
  • Die Wetterlage bleibt auch am Samstag in Deutschland angespannt, Aufgrund der Hochwasser-Katastrophe in den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurde der militärische Katastrophenalarm ausgelöst.
  • Auch in den Nachbarländern Belgien und den Niederlanden werden die Zahlen noch nach oben korrigiert. In Belgien, wo bis Freitag 100 Feuerwehrleute aus Österreich im Einsatz waren, sind bereits mindestens 20 Menschen gestorben. 
  • Es handelt sich um eine der größten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit in Deutschland. Obwohl die Rettungsmaßnahmen noch voll im Gange waren, lag die Zahl der Toten bereits um ein Vielfaches so hoch wie beim sogenannten Jahrhunderthochwasser 2002.
  • Am Freitagabend brach im Kreis Heinsberg ein Damm. Die Gemeinde Ohe musste komplett evakuiert werden, die Räumung eines Ortsteils der Gemeinde Ophoven wurde am Freitagabend begonnen, 700 Personen wurden aus der Gefahrenzone gebracht.

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